von KLAUS KELLE
BERLIN – Von der Papierform her kann es für den Job des neuen Mannes an der Spitze des Bundesnachrichtendienstes (BND) keinen besseren geben. Martin Jäger übernimmt als Präsident des deutschen Auslandsgeheimdienstes eine anspruchsvolle Aufgabe von Bruno Kahl, der nun Deutschlands Botschafter beim Vatikan wird – ein Herzenswunsch, wie Kahl in einem seiner zahlreichen Interviews zum Abschied versicherte. Denn, dem Vatikan sagt man nach, ein beispielloses Netzwerk mit Informanten rund um den Erdball zu haben, aber ganz sicher ohne Doppel-Null-Status.
Martin Jäger könnte genau der richtige Mann sein, in diesen Zeiten von Krieg, Krisen und hybriden Bedrohungen den BND fit für die Herausforderungen zu machen, vor denen Deutschland steht. Denn fit – das ist die deutsche Geheimdienst-Communty aus BND, Verfassungsschutz und Militärischem Abschirmdienst (MAD) nicht. So wie die Bundeswehr noch nicht wieder fit ist, ihren Auftrag effektiv zu erfüllen.
Das Hauptproblem, das sie alle eint, ist nicht Personalnot oder mangelndes Knowhow, es sind die politischen Fesseln, die ihnen blauäugige Politiker in Berlin über viele Jahre angelegt haben, blind für die realen Gefahren, die Deutschland, Europa und dem Westen drohen.
Es ist kein Zufall, dass die zwei Dutzend Terroranschlage, die bis heute – dem Jahrestag von 9/11 – hierzulande verhindert werden konnten, nahezu alle durch Hinweise befreundeter Dienste, vornehmlich aus den USA, aufgedeckt werden konnten.
Deutschland nimmt gern, hat aber selbst wenig zu bieten für die westlichen Partner, wie zum Beispiel die geheimnisumwitterten „Five Eyes“ (Fünf Augen), eine Allianz der Geheimdienste aus fünf englischsprachigen Ländern: USA, Australien, Kanada, Neuseeland und Großbritannien. Nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, tauschen diese Dienste seit Jahrzehnten zum gegenseitigen Nutzen nahezu all ihre Geheiminformationen aus. Deutschland sitzt da eher am Katzentisch.
Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU), in der Bundesregierung zuständig für die deutschen Dienste, sagte zur bevorstehenden Staffelübergabe beim BND: „Unser Anspruch muss sein, dass wir auch nachrichtendienstlich das allerhöchste Niveau erreichen.“
Wer wollte ihm da widersprechen?
Und so erscheint die Wahl von Martin Jäger als nahezu perfekt: deutscher Botschafter in Kabul, Botschafter in Bagdad, zuletzt Botschafter in Kiew. Dieser Mann hat fast alles schon gesehen. Und was er nicht gesehen hat, das wird er ab der kommenden Woche sehen.
Denn der BND ist nicht eine parteipolitisch nach sachfremden Kriterien durchsetzte Behörde. Der bisherige BND-Präsident Bruno Kahl hat eine Menge geleistet, damit Deutschland in der Liga der effektiven Geheimdienste wieder an Ansehen und Boden gewonnen hat.
Besonders bei der Überwachung der globalen Kommunikation und der Analyse von Cyberaktivitäten feindlich gesinnter Staaten spielt der BND heute in der ersten Liga, versichert Kahl. Um gleichzeitig klarzustellen, dass auch heute bei der Informationsgewinnung „menschliche Quellen“ unverzichtbar sind.
Dass der BND den Angriff russischer Truppen auf die Ukraine verschlafen habe, lässt Kahl nicht gelten. Man habe ein sicheres Lagebild gehabt, dass russische Panzer und Soldaten in die Ukraine einmarschieren würden – aber anders als die Amerikaner habe man halt den genauen Zeitpunkt nicht gewusst.
Zufrieden ist Bruno Kahl ganz offenbar mit den Analysen seiner Mitarbeiter zum Ursprung des Corona-Virus.
Das stammt nämlich vermutlich nicht von einem Wochenmarkt im chinesischen Wuhan und wurde auch nicht durch Fledermäuse übertragen. Die deutschen Geheimdienstler hielten bereits früh (2020) für wahrscheinlich, dass das Corona-Virus aus einem Labor in Wuhan entwichen ist. Zumindest gebe es „plausible Hinweise für die Labor-These“, die man an Angela Merkels Bundeskanzleramt meldete, das dann aber erkennbar… nichts tat.
Kanzleramtschef Thorsten Frei gibt Jäger, nun Chef von 6500 Mitarbeitern, die Aufgabe mit, den BND operativer zu machen: „Die Leistungsfähigkeit bemisst sich zuerst an der Fähigkeit zur Gewinnung relevanter geheimer Informationen.“ Dazu müsse der BND rechtlich und technisch in die Lage versetzt werden.
Bleibt die Frage: Warum ist er das nicht längst?
Angesichts der wachsenden Bedrohungslage für die deutschen Streitkräfte durch Spionage und Sabotageaktionen besonders aus Russland und China darf Jäger keinen Tag Zeit verlieren, nachdem er kommenden Montag an seinem neuen Schreibtisch Platz genommen hat.
Bildquelle:
- Martin Jaeger: bundeswirtschaftsministerium / thomas trutschel