Helmut Kohls Grab ist jetzt ein würdiges Denkmal im Park – unwürdig sind die Debatte und die Respektlosigkeit

Das neu gestaltete Grab des Altbundeskanzlers Helmut Kohl in Speyer

von KLAUS KELLE

SPEYER – „Es hat etwas mit der Würde unseres Landes zu tun, wie wir mit dem Gedenken an die Toten umgehen.“ Dieser Satz des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU) vom 14. Mai 1993 im Deutschen Bundestag hat einen fast beängstigenden Zug von Prophetie, wenn man ihn heute auf die vergangenen Wochen und die öffentliche Debatte um die Gestaltung seines Grabes im Adenauerpark von Speyer bezieht.

Denn um Würde und Gedenken an den großen deutschen Staatsmann geht es hier

Denn eine würdige Grabstätte für ihren Mann Helmut – das ist der Antrieb seiner letzten Ehefrau Maike Kohl-Richter. Das Grab ihres Mannes zu einer Ruhestätte mit Denkmalcharakter umzugestalten – das ist ihr schließlich gelungen, aber der Weg war steinig, gepflastert mit vielen unerfreulichen Erfahrungen mit aufdringlichen und übergriffigen Menschen und Medienvertretern.

Auf der letzten Ruhestätte des langjährigen Bundeskanzlers Helmut Kohl, einst auch rheinland-pfälzischer Ministerpräsident, bekannt als Kanzler der Einheit und leidenschaftlicher Europäer, steht nun ein zweieinhalb Meter hoher Gedenkstein aus hellgelbem Sandstein mit seinem Namen sowie Geburts- und Sterbedatum von Kohl (1930-2017). Darauf die Ehrentitel: „Kanzler der Einheit“ und „Ehrenbürger Europas“. Die Inschrift wurde von Hand in den Stein eingehauen, ein lateinisches Kreuz markiert das Sterbedatum, die Kosten für die Neugestaltung des Grabes – nach Presse-Informationen ein hoher fünfstelliger Betrag – wurde von Frau Kohl-Richter privat bezahlt.

Das ist wichtig, weil ihr während der Bauarbeiten sogar bei persönlichen Begegnungen von Schaulustigen der Sichtschutz vorgeworfen wurde.

Da würde Steuergeld ausgegeben, weshalb man das Recht habe, am Sichtschutz vorbei ans Grab zu kommen und Fotos zu machen. Auf dem Schild stehe auch nicht, dass man nicht schauen und keine Fotos machen dürfe. Allen Ernstes, ist wirklich so passiert. Nicht nur einmal, sondern fortlaufend. Ein öffentlich-rechtlicher Sender hat den empörten Menschen am Grab sogar einen ganzen Beitrag gewidmet.

Dass die letzte Ruhestätte von Helmut Kohl für Besucher öffentlich zugänglich sein muss und deshalb nicht als klassisches Grab zu gestalten war, stand für Maike Kohl-Richter immer außer Frage.

Aber auch, dass die Grabstätte dennoch ein Grab bleibt und nicht öffentlich begehbar ist. Gegenüber der dpa sagte Kohls Witwe: „Für mich war immer klar, dass das Grab letztlich Denkmalcharakter haben muss. Mit dem öffentlichen Interesse an meinem Mann ist ein bepflanzbares, insoweit offenes Grab nicht gut vereinbar.“

Und weiter: „Wir sind hier außerdem in einem Park, mitten im Leben, nicht auf einem Friedhof.“ Auf dem Spielplatz gegenüber, so Kohl-Richter weiter, spielen Kinder unbefangen und rennen die Wege entlang. Sie sollten nicht an ein Grab stoßen“, sagt sie gegenüber TheGermanZ und ergänzt aber zugleich: „aber natürlich bleibt es weiterhin ein Grab.“

Helmut Kohl war am 16. Juni 2017 in Ludwigshafen gestorben. Er wurde am 1. Juli 2017 in Speyer beigesetzt. In einem Grab mit Pflanzen, Pfälzer Buntsandstein und einem schlichten, massiven Holzkreuz gestaltet.

Aber selbst da entzündete sich Kritik an der Witwe des Kanzlers

Das Kreuz war manchen Besuchern zu schlicht, sie verlangten nach einem imposanten Grabstein. Als ihr 2017 wegen des großen Interesses der Menschen die Stadt für das frische Grab als Schutzmaßnahme einen Zaun im vorderen Bereich und eine Kamera genehmigte (die Besucher nicht erfasste, solange sie das Grab nicht betraten) meldete sich einer der beiden Söhne des früheren Kanzlers öffentlich zu Wort und behauptete, ihr Vater hätte das so nicht gewollt.

Damit war der Ton gesetzt, die Medien griffen dies begierig auf, das Grab, das ein Ort des Innehaltens und stillen Gedenkens sein sollte, wurde zum öffentlichen Spektakel, bei dem Medien, Söhne, Stadt, Domkapitel und Besucher sich gegenseitig hochschaukelten und bei dem jeder mitredete.

Walter Kohl nannte den Zustand des Grabes in Speyer mehrfach „unwürdig“ und sprach von einem „lieblosen Provisorium“. Das Verhältnis der Kohl-Söhne zu ihrem Vater und Maike Kohl-Richter gilt als tief zerrüttet. 2022 wurde die Kamera schließlich von der Stadtverwaltung entfernt und Frau Kohl-Richter nach Hause zugestellt.

Nur die Betroffene selbst hielt sich zurück. Was Maike Kohl-Richter denkt, veröffentlichte sie 2023 zum 5. Todestag aber auf der von ihr und der Helmut-Kohl-Stiftung für Helmut Kohl eingerichteten Homepage. Die öffentliche Debatte sei eine „durch und durch unwürdige und verlogene Debatte“ und ein „großes, irreführendes Ablenkungsmanöver“.

Zum „medialen Kesseltreiben“, wie sie es gegenüber dpa jetzt nannte, gehört wohl auch, dass nicht die Witwe das Grab, wie es unterstellt wird, ringsherum eingezäunt hat. Die Witwe hatte die Stadt 2017 lediglich um den Zaun im vorderen Bereich gebeten, um das Grab, solange es bepflanzbar war, am öffentlichen Weg vor dem Betreten durch Besucher, aber auch deren auf dem Grab freilaufenden Hunde (wirklich passiert) zu schützen.

Den Zaun um das Grab herum hatte 2017 das Domkapitel errichtet, um seinen Kapitelsfriedhof weiterhin vom öffentlichen Bereich mit dem Grab abzutrennen. Auch die im Sommer wuchernde, im Winter kahle Buchenhecke, die die Witwe jetzt durch eine immergrüne, nicht wuchernde Zypressenhecke ersetzt hat und die den Zaun ganzjährig verdeckt, hat 2017 nicht sie gepflanzt. Damit aber bekam das Grab im Winter den Charakter des Eingezäunten und im Sommer des Ungepflegten.

Kritik gab es auch am Sichtschutz bei den Bauarbeiten der vergangenen Wochen, für das sie während der Neugestaltung des Grabes mit einem Schild am Bauzaun um „Verständnis“ sowie „Respekt und Geduld“ bat.

Stattdessen versuchten Neugierige, sich ein Loch in den Sichtschutz zu bahnen und schimpften offen oder verdeckt vom Sichtschutz darüber, dass es keinen Zugang gab. Ein Medienvertreter einer christlichen Presseagentur veröffentlichte sogar ein Foto, das Handwerker bei den Arbeiten am Grab zeigt. Das Foto wurde über den zwei Meter hohen Sichtschutz hinweg aufgenommen, also unheimlich und unbemerkt. Ein öffentlich-rechtlicher Sender verbreitete ein – angebliches – mit der Witwe am Rande der Bauarbeiten geführtes Interview. Derselbe Sender hat in diesen Tagen auch ein Foto vom neugestalteten Grab veröffentlicht, auf dem zwei rote Rosen am Grabmal zu sehen sind – Rosen, die die Witwe zuvor aber bewusst auf der für Blumen und Kerzen vorgesehenen Steinfläche vorne am Grab platziert hatte.

Sie habe für diese Art von Voyeurismus mancher Menschen „null Verständnis“, sagte Kohl-Richter gegenüber dpa, ebenso nicht für das aufdringliche, bisweilen unverschämte Verhalten der Medienvertreter. Und weiter: „Das ist respektlos und unwürdig. Ein Grab ist ein Grab und außerdem Privatangelegenheit.“

Das Grab des Bundeskanzlers liege an einem „Ort mit hoher christlicher und europäischer Strahl- und Symbolkraft, denn Speyer ist die Stadt des europäischen Kaiserdoms“, bekräftigt Frau Kohl-Richter in dem Text, der über einen QR-Code auf einem Schild an der Grabstätte zu weiteren Informationen führt. Für den gläubigen Katholiken und überzeugten Europäer Helmut Kohl sei „der christliche Glaube zeitlebens eine wichtige Kraftquelle und der europäische Kaiserdom zu Speyer seit Kindheitstagen so etwas wie seine Hauskirche“ gewesen, die er schon früh mit seinen Eltern besucht habe. Und sie schließt mit den Worten: „Gemäß der politischen Lebensleistung Helmut Kohls solle seine Grabstätte ein Ort der versöhnlichen, freiheitlich-friedlichen Erinnerung an Helmut Kohl sein…“

Bildquelle:

  • Grab_Helmut_Kohl: dr. maike kohl-richter

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.