„Red Wednesday“ – Alarmruf gegen Christenverfolgung – wo sind unsere deutschen Kirchengemeinden?

Katholische St. Josephs Gemeinde in Velbert (NRW)

von MARTIN EBRTS

MÜNCHEN Die ganz überwiegende Mehrheit aller Menschen, die weltweit – inzwischen auf allen Kontinenten – wegen ihrer Religion verfolgt, bedrängt oder diskriminiert werden, sind Christen. Unzählige Berichte von Regierungen, NGOs, Hilfswerken, sogar UNO-Organisationen belegen das mit harten Zahlen und Fakten. Christen aller Konfessionen haben die zweifelhafte Ehre, auf sämtlichen Verfolgungs-Indices immer ganz oben zu erscheinen. Die Rezeption dieser erschreckenden Tatsache ist jedoch seit jeher schwach; amtliche Reaktionen bleiben lustlos, die Öffentlichkeit gleichgültig.

Zeichen setzen für Verfolgte

Schon seit zehn Jahren gibt es deshalb den „Red Wednesday“, einen Tag, an dem durch rote Beleuchtung von Kirchengebäuden auf das Leiden der verfolgten Christen aufmerksam gemacht und ein Zeichen gesetzt wird – in Rot, wie das Blut der Märtyrer. Zum ersten Mal geschah das im Jahre 2015 in Rio de Janeiro, wo die berühmte Christus-Statue, „Cristo Redentor“ (Christus Erlöser), rot angestrahlt wurde. Das erregte Aufmerksamkeit und verbreitete sich schnell in vielen Ländern.

Mäßiges Interesse

An diesem Mittwoch, dem 19. November, ist es wieder soweit. Auf der Webseite von „Kirche in Not“ kann man eine Liste von Gemeinden finden, die dabei mitmachen. Von den ca. 21.000 katholischen und evangelischen Kirchengemeinden in Deutschland nehmen (Stand 17.11.) 227 daran teil. Sind die anderen nicht interessiert? Man darf vermuten, dass sie nur nichts von der Sache wussten, denn eine Aktion gegen Christenverfolgung ist für die deutschen Mainstream-Medien ohne besonderen Nachrichtenwert.

Aber die Kirchenoberen…?

Aber, so wird man einwenden, was ist denn mit den Kirchen selbst? Was macht die EKD, was die Deutsche Bischofskonferenz? Wollen die keine Solidarität mit ihren verfolgten Glaubensbrüdern zeigen? Das kann nicht sein! Und natürlich ist das auch nicht so…

Sicher, vom „Red Wednesday“ hört man amtlicherseits nichts. Aber geht man auf die Webseite der EKD, dann findet man unter dem Stichwort „Christenverfolgung“ zum Beispiel den Hinweis auf ein Ökumene-Dokument von 2023. Dazu wird freilich auch die Mahnung eines Menschenrechts-Experten zitiert, der die Kirchen davor warnt, sich zu sehr auf Christenverfolgung zu konzentrieren. Das wurde anscheinend beherzigt.

Und die Deutsche Bischofskonferenz? Auf deren Webseite zeitig der Suchbegriff „Christenverfolgung“ zunächst eine Pressemeldung aus dem Jahre des Herrn 2015, dem Jahr, an dem der „Cristo Redentor“ erstmals in Rot illuminiert wurde. Außerdem einen Hinweis auf den „Gebetstag für verfolgte und bedrängte Christen“ am 26. Dezember. Das liegt zwar nahe, denn es ist ja nicht nur der „zweite Weihnachtstag“, sondern auch der Gedenktag des Hl. Stephanus, des ersten Märtyrers der Christenheit. Aber besondere kirchliche Aktivitäten an diesem Tag, für verfolgte Christen, sind zumindest nicht öffentlich bekannt geworden. Stille Anteilnahme sicher…

Lieber ohne das C-Wort

„Christenverfolgung“ sagt man eben nicht mehr gern. Und so verwundert es kaum, dass die Online-Recherche bei dem weiter gefassten Begriff „Religionsfreiheit“ bessere Ergebnisse erzielt, bei beiden Konfessionen. Da stehen gottlob nicht nur die Christen im Mittelpunkt.

Immerhin äußerte sich, ausweislich der EKD-Webseite, im Jahre 2023 eine Oberkirchenrätin im Interview mit einer evangelischen Zeitung für Westfalen und Lippe dazu, wenn auch recht behutsam. Auf der DBK-Seite freut man sich über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum kirchlichen Arbeitsrecht. Aber es gibt auch einen Bericht über den „Internationalen Tag zum Gedenken an die Opfer von Gewalttaten aus Gründen der Religion oder des Glaubens“. Der war bisher auch nicht gerade ein Thema für Schlagzeilen. Es gibt zudem einen Link zu einer „jährlichen Initiative“ der DBK mit dem vielversprechenden Titel „Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen in unserer Zeit“. Was genau dazu angedacht ist, sieht man dort freilich nicht. Auf jeden Fall spielt der „Red Wednesday“ keine Rolle.

Sehr diskrete Hilfe

Kein Zweifel besteht daran, dass kirchliche Hilfswerke viel Gutes tun und dabei auch den leidenden Glaubensbrüdern und Schwestern regelmäßig substanzielle Hilfe leisten. In der Hinsicht läuft niemand den Kirchen den Rang ab. Christliche Nächstenliebe wird ohne jede Frage groß geschrieben und mit erheblichen Mitteln untermauert. Aber Ross und Reiter zu nennen, wenn es um Christenverfolger geht? Da hat man wohl Bedenken. Um die Verfolgten nicht zusätzlich zu gefährden? Das wäre historisch nicht ohne Vorbild. Oder ist es eine Art unterdrückter Kopfscheu, gegenüber einer veröffentlichten Meinung, die Christen nicht für schutzwürdig hält?

Und die deutsche Menschenrechtspolitik?

Aber wie steht es mit der Bundesregierung? Da Christenverfolgungen ein globales Phänomen sind, und Deutschlands Außenpolitik bekanntermaßen „wertegeleitet“ ist, wobei dem Einsatz für Menschenrechte eine zentrale Rolle zukommt, darf man erwarten, dass das Auswärtige Amt sich auch für Religionsfreiheit engagiert. Unter Frau Baerbock war allerdings das Thema Religion und Kirchen fast gänzlich aus dem Blickfeld deutscher Außenpolitik verschwunden. Auch ihre Vorgänger im Amt hatten zumindest mit dem Thema Christenverfolgungen „nichts am Hut“. Es wurde bestenfalls dilatorisch behandelt und in rituelle Aufzählungen unter „ferner liefen“ eingereiht. Seit dem Amtsantritt von Johann Wadephul (CDU) hat sich da etwas zum Besseren verändert.

Mit MdB Thomas Rachel ist ein ausgewiesener Fachmann und gläubiger evangelischer Christ zum „Beauftragten der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit“ ernannt worden, dem Auswärtigen Amt zugeordnet. Man darf daher hoffen, dass auch die Christenverfolgungen aus dem Stadium des Nicht-Themas wieder zu einem Thema werden, sogar noch vor der Vorlage des nächsten amtlichen Berichts der Bundesregierung zur Religionsfreiheit – der in zwei Jahren fällig ist.

Erstrahlt das AA bald in Rot?

Das sonst so nüchtern auftretende Auswärtige Amt pflegt seit Jahren eine warmherzige Symbolpolitik zur Förderung von Minderheiten, vor allem solchen, die hierzulande weder verfolgt noch diskriminiert werden. So prangt zum „Christopher-Street-Day“ gern eine riesige LGBTQ-Fahne am Hauptportal des AA. Vielleicht wird das Amt also am „Red Wednesday“ rot illuminiert, aus Solidarität mit einer der am schlimmsten verfolgten Gruppe von Menschen. Nicht wahrscheinlich? Warten wir mal…

Bildquelle:

  • St. Joseph_Velbert: st. joseph velbert

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.