Besinnlichkeit? Beim Feiern auf unseren Straßen? Vergessen Sie’s!

Liebe Leserinnen und Leser,

eben haben wir in den Nachrichten gemeldet, dass die Weihnachtsmarktbetreiber in Deutschland beschlossen haben, kein „Papplick Wjuing“ zuzulassen, also beim Glühweintrinken Viertelfinale der deutschen Nationalmannschaft – vergessen sie es!

Die Begründung lässt aber aufmerken: Man setzte auf Besinnlichkeit beim Konzept dieser Märkte.

Besinnlichkeit? Mal ehrlich: wann haben Sie zuletzt auf einem Weihnachtsmarkt Besinnlichkeit verspürt?

Wenn es gut läuft, werden Sie nicht beklaut oder angerempelt, oder? Wenn es gut läuft, können Sie sich mit Freunden im Gedränge langsam volllaufen lassen, Lederwaren, Kerzen und Billig-T-Shirts für den Gabentisch erwerben und kommen dann hoffentlich sicher wieder nach Hause.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich liebe Weihnachtsmärkte, eher die kleinen allerdings als die Mega-Weihnachtsmärkte. Und ich mag gebrannte Mandeln und Glühwein mit irgendeinem Schuss (Unsere Kinder nennen das „Shot“, meinen aber genau das.)

Köln ist mir zu viel Gedränge, zu viel Nepp. Man kann dort auf dem großen Weihnachtsmarkt am Dom kaum stehenbleiben, um etwas anzuschauen oder neuen Glühwein zu erwerben, weil man im unablässigen Strom der Touristen aus England und Holland, die in Bussen herangekarrt werden, mitfließen muss. So wie bei einer Besichtigung der Sixtinischen Kapelle in Rom. Stehenbleiben und Staunen? Vergessen Sie’s! Das Leben ist im Fluss, von Besinnlichkeit keine Spur.

Vor Corona waren wir oft auf dem schönen Weihnachtsmarkt in Kempen am Niederrhein, der ist schnuckelig, und da wird auf der Bühne live Musik gemacht statt bloß Geplärre aus dem Lautsprecher. Und der Weihnachtsmarkt am Schadowplatz in Düsseldorf war früher in der Adventszeit immer mein Ziel in der Mittagspause, als ich noch bei BILD gearbeitet habe. Von der Redaktion drei Minuten zu Fuß, Currywurst essen und dann ab zur „Schwarzwaldhütte“. Zwei Glühwein und danach an den Schreibtisch, Qualitätsjournalismus abliefern…

In Sachsen hat man Sicherheitsbedenken, was den berühmten Striezelmarkt anbetrifft, lese ich am Morgen. Wenn da Fußball gezeigt würde, könnte es zu Ausschreitungen kommen. Warum eigentlich? Ich gucke seit 50 Jahren Fußball, ohne dabei Ausschreitungen zu beginnen. Ich kann Ihnen versichern: das ist möglich. Selbst bei Stadionbesuchen, selbst in der Fankurve. Aber das ist eine andere Geschichte.

Mein Eindruck ist in den vergangenen Jahren eher, dass sich immer mehr Asis auf großen „Volksfesten“ herumtreiben. Das wäre mal eine wissenschaftliche Untersuchung wert, nicht nur immer über den Gender-Schwachsinn. Nein, früher war natürlich nicht alles besser. Beim Schützenfest bei uns in der westfälischen Provinz gab es nach den ersten 12 Bieren natürlich auch mal Schlägereien. Und wenn einer aus dem Dorf ein Mädel aus dem Nachbardorf angefasst hatte, da fuhren dann 15 Halbwüchsige auf ihren Mopeds (kennen Sie das Wort noch?) zum Schützenzelt, um das mit der heimischen Dorfjugend handfest zu klären. Aber heute?

Gerade hat die Kölner Polizei die Zahl der angezeigten Delikte beim diesjährigen Straßenkarneval korrigiert. Nach oben.

Verkündete man am 12. November noch 145 registrierte Straftaten, so kam da anschließend wohl noch Einiges zusammen, denn inzwischen ist die Zahl auf 399 Anzeigen gestiegen. Und bei zum Beispiel 51 Fällen von Körperverletzung waren es tatsächlich 117, die bekannt geworden sind. 15 Sexualdelikte wurden angezeigt, darunter drei „wegen Vergewaltigung in Gaststätten und Bars.“ Kölle Alaaf!

Schönes Wochenende, seien Sie vorsichtig!

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.