Britischer Botschafter tritt zurück und kritisiert eigene Regierung

Der damalige britische Premierminister David Cameron (l) und Sir Ivan Rogers im Februar 2016. Foto: Geert Vanden Wijngaert

London/Brüssel – Der zurückgetretene britische EU-Botschafter Ivan Rogers hat in einer persönlichen E-Mail an seine Mitarbeiter die Regierung seines Landes scharf kritisiert. In dem Abschiedsschreiben spricht der Diplomat von schlechten Argumenten vieler Politiker. «Es mangelt an ernsthafter, multilateraler Verhandlungserfahrung in der Regierung», schreibt Rogers mit Blick auf den geplanten Brexit. An seine früheren Mitarbeiter appellierte er, «nie davor Angst zu haben, jenen an der Macht die Wahrheit zu sagen».

Rogers‘ Mitarbeiter in Brüssel bestätigten am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur, eine solche E-Mail bekommen zu haben. Der Diplomat hätte offiziell noch bis Oktober im Amt bleiben sollen.

Die EU-Kommission äußerte am Mittwoch Bedauern über den Rücktritt des Briten. Rogers sei für die Brüsseler Behörde ein nicht immer einfacher, aber höchstprofessioneller und äußerst kenntnisreicher Gesprächspartner und Diplomat gewesen, kommentierte eine Sprecherin. Er habe immer loyal die Interessen seiner Regierung verteidigt.

Rogers hatte zuletzt für Aufsehen mit der Einschätzung gesorgt, die Verhandlungen über ein Abkommen Großbritanniens mit der EU zur Regelung des EU-Austritts könnten zehn Jahre dauern. Selbst dann, so der Experte, könnte ein Abkommen noch an der Ratifizierung in einem der nationalen Parlamente scheitern. Das hatte ihm deutliche Kritik von Befürwortern eines klaren Bruchs mit Brüssel eingebracht.

Die Briten hatten im vergangenen Juni in einem historischen Referendum den Austritt ihres Landes aus der EU beschlossen.

Bildquelle:

  • Rogers und Cameron: dpa

Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende

Jetzt spenden (per PayPal)

Jetzt abonnieren

Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.