CDU-Politiker bemängelt Glaubwürdigkeit und erkennt Parallelen zwischen heute und der DDR

von KLAUS KELLE

Corona macht’s möglich: Die Umfragewerte der Union verharren stabil bei 38 Prozent, und so mancher Hinterbänkler in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der sich schon vorsichtshalber nach einem neuen Job im Herbst 2021 umschaute, darf sich jetzt auf vier weitere ruhige Jahre in der Blase mit Glaskuppel, versüßt mit ordentlichen Diäten und Altersversorgung für später, freuen. Wenn da nicht immer wieder Stimmen aus den eigenen Reihen dazwischenfunken, die Dinge öffentlich glasklar formulieren und den Kollegen, die auf Usedom mit Gesichtsmaske im Strandkorb ausspannen,  die Sommertage vermiesen würden. So wie gerade Arnold Vaatz aus Sachsen, immerhin stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag.

Der ledert heute in einem Gastbeitrag für „Tichy’s Einblick“ über die sinkende Glaubwürdig etablierter Parteipolitik ab, nicht ohne natürlich zu Beginn zu versichern, dass er die „Festlegungen der Regierungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie für richtig und ihre Befolgung für erforderlich“ hält. Was er dann aufzählt, ist für einen hochrangigen CDU-Abgeordneten atemberaubend.

Dass die Regierung, seine Regierung, zunächst behauptet hatte, Gesichtsmasken brächten nichts, um sie dann vorzuschreiben, vergleicht Vaatz mit der DDR, in der die SED-Nomenklatura ausstreute, „Bananen seien gar nicht so gesund“, so lange es keine gab. Und damit nicht genug der DDR-Vergleiche. Lesen Sie selbst:

„Die dreiste Kleinrechnung der Teilnehmerzahlen der Demo vom 1. August durch die Berliner Polizei entspricht in etwa dem Geschwätz von der „Zusammenrottung einiger weniger Rowdys“, mit der die DDR-Medien anfangs die Demonstrationen im Herbst 1989 kleinrechneten. Der gefährlichere Versuch, die Straßen leerzukriegen, war damals die Unterstellung, die Demonstranten handelten im Auftrag von CIA und BND. Der heutige Versuch, die Straßen leerzubekommen, besteht in der Warnung: Pass auf, mit wem du demonstrierst. Das ist die Drohung, als Nazi diffamiert und damit gesellschaftlich ruiniert zu werden, sobald man bei einer Demonstration angetroffen wird, in der eine Person, die man weder gekannt noch überhaupt im Gewühl gesehen haben muss, ein „bei Rechten beliebtes“ Kleidungsstück trägt.“

Noch einmal zur Erinnerung – diese Sätze schreibt der stellvertretenden Fraktionsvorsitzende der Union im Deutschen Bundestag! Und er hat absolut recht damit. Der Versuch des politischen und medialen Mainstreams, nahezu jede Kritik am Kurs der Bundeskanzlerin und ihrer Claqueure als rechtsradikal oder als Verschwörungstheorie zu brandmarken, ist ein Skandal, den vor allem die meinungsführenden Medien zu verantworten haben. Ihre Aufgabe wäre es gewesen, den Finger in die Wunden zu legen, von denen es in Deutschland inzwischen viel zu viele gibt. Und dann dieser Vaatz, ein Sachse, ausgerechnet…

Vaatz legt sogar nach:

„Je mehr Corona herangezogen wird, um Feindbilder wie Trump, Bolsonaro oder Kurz zu pflegen, je mehr Corona-Regelverstöße mit zweierlei Maß gemessen werden – gegenüber links einerseits und gegenüber rechts andererseits – umso mehr wird die Überzeugung wachsen, das der Kampf gegen Corona weniger ein Ziel der Politik als ein Instrument der Politik ist.“

Das geneigte Publikum darf gespannt sein, wie die Reaktionen aus Adenauer-Haus, Unionsfraktion und Kanzleramt auf diesen Gastbeitrag sein werden. Meine Voraussage: Sie werden öffentlich gar nicht reagieren. Ruhe ist oberste CDU-Bürgerpflicht, wo doch wieder alles so schön zu laufen scheint.

Der Artikel von Vaatz zeigt vor allem, wie sehr es unter der demonstrativ gelassenen Fassade der Unionsparteien brodelt, in der man sich neben Urlaub und Mandatssicherung hauptsächlich mit der Kanzlerkandidaten-Frage zu beschäftigen scheint. Der eine gibt den starken Anführer, der andere reist ins Flüchtlingslager nach Lesbos. Was ist mit dem bevorstehenden Zusammenbruch ganzer Wirtschaftszweige, mit der drohenden Massenarbeitslosigkeit, mit der Milliarden Gießkanne aus Brüssel, die deutsche Steuerzahler immer wieder auffüllen sollen?

Der Klartext von Vaatz kommt nach der Berlin-Demo am Wochenende überraschend. Glaubwürdigkeit…was für ein großartiges Thema. Und das Unbehagen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist weit tiefgreifender, als dieser Warnschuss, geht weit über die wackeren Abgeordneten des „Berliner Kreises“ um Sylvia Pantel und Klaus-Peter Willsch hinaus. Erst Anfang Juni hatte sich die – ebenfalls aus Sachsen stammende Bundestagsbgeordnete Veronika Bellmann in einem Gastbeitrag  auf dem Blog „Denken-erwuenscht“ zu Wort gemeldet. Sie schrieb damals:

„Letztlich sind dem Machtkalkül und einer reichlich ausgeprägten Geschichtsvergessenheit einiger Vertreter der ost- und westdeutschen CDU, wie bspw. dem Schleswig-Holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther, sowie den sich als meinungsprägende Elite bezeichnende Medienvertretern, eherne politische Prinzipien zum Opfer gefallen. Sie folgen nur den Umfragewerten und sind auf Kuschelkurs mit Links-Grün. Es gibt keine generelle Abgrenzung der Christdemokraten gegen Extremisten mehr, nur noch die gegen rechts.“

Auch Veronika Bellmann hat recht, daran besteht kein Zweifel. Ihre öffentliche Kritik an Fehlentwicklungen in der eigenen Partei kamen damals gar nicht gut an bei Hofe. Aber es ist wichtig, dass immer mehr aufstehen und das Wort ergreifen, gerade wenn man es gut meint mit der traditionsreichen Union in Deutschland. Dieses Land ist durch äußere Entwicklungen ebenso wie durch eine falsche Politik, mindestens in den vergangenen fünf Jahren, in einer schweren Krise, durch unsere Gesellschaft zieht sich ein tiefer Riss, und niemand weiß, wie das alles enden wird. Aber die Dinge beim Namen zu nennen, Fehlentscheidungen offen zu benennen – dafür ist es allerhöchste Zeit.

Bildquelle:

  • CDU: cdu

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.