Das Attentat in Japan: Dem Geld folgen? Oder „Cui Bono“ fragen?

Liebe Leserinnen und Leser,

nach einem Anschlag oder einem politischen Mord gibt es immer eine Frage und einen Leitsatz, mit dem sich die Ermittler gleich am Anfang beschäftigen, weil sie in 90 Prozent der Fälle zum Täter und dem Motiv führt: Cui Bono (wem nützt es) und „Folge der Spur des Geldes“.

Der populäre ehemalige Ministerpräsident Shinzo Abe ist bei einer Wahlveranstaltung seiner konservativen Partei in der zentraljapanischen Stadt Nara erschossen worden. Ein 41-jähriger Mann, der ehemalige Marinesoldat Tetsuya Yamagami, hatte sich in die Menge gemischt, immer wieder brav Beifall geklatscht und dann eine langläufige Waffe gezogen und dem Politiker zweimal in den Rücken geschossen, bevor der Schütze von Sicherheitsbeamten überwältigt und festgenommen werden konnte.

Ein feiger Mord, der das ganze Land in Schockstarre versetzt hat über alle politischen Lager hinweg, und der die heutige Oberhauswahl in Japan vermutlich masiv beeinflussen wird, zumal Japan ein Land ist, in dem es politische Gewalt kaum gibt. Das erste vergleichbare Attentat dort liegt 60 Jahre zurück. Und – ganz ehrlich – Japan liegt am anderen Ende der Welt. Wer von uns verfolgt schon regelmäßig, was dort passiert?

Der Täter wird derzeit intensiv verhört, über sein Motiv wissen zumindest wir bisher gar nichts. In japanischen Medien wird erwähnt, dass die Mutter des Attentäters in der Vergangenheit große Geldbeträge an die „Vereinigungskirche“ des religiösen Anführers San Myung Mun aus Südkorea gespendet habe. Und der Attentäter habe Mun und dessen Organisation dafür gehasst, dass seine Mutter die Familie – angeblich – finanziell damit ruiniert habe.

Kaffeesatzleserei wahrscheinlich, denn die Mun-Kirche ist nach unseren Maßstäben sehr konservativ, man könnte auch rechts sagen, und wer rechts ist – Sie alle wissen das – ist ganz doll böse und auf jeden Fall immer verdächtig natürlich.

Also spekulieren wir nicht wild herum – bin gespannt, wann die ersten auf Twitter Klaus Schwab und Bill Gates, alternativ Hillary Clinton, für den Anschlag verantwortlich machen – sondern schauen uns an, wohin uns die eingangs genannten Ermittlungsmodelle führen!

Folge der Spur des Geldes!

Dass Geld in großem Umfang in die dunkle Kanäle geflossen sein könnten, dafür gibt es bisher nicht den geringsten uns bekannten Hinweis. Ja, die Mutter des Attentäters hat Geld an die Mun-Kirche gespendet und ihr Sohn war darüber wütend – könnte das ein Motiv sein? Ausschließen kann man nichts, wir lesen und hören jeden Tag, was in kranken Köpfen von Mördern vorgeht und welche schlimmen Folgen daraus erwachsen. Also: Nicht auszuschließen zumindest, aber für mich wenig überzeugend.

Cui Bono?

Shinzo Abe und seine liberal-konservative Partei hat klare politische Ziele, die mir persönlich gefallen. Sie ist marktwirtschaftlich, kapitalistisch, ausgerichtet, verfolgt eine stringente Geldpolitik und will eine starke Rolle in Südostasien spielen – was Japan natürlich durch seine enorme Wirtschaftskraft ohnehin schon macht. Die regierenden Konservativen wollen die Verteidigungsausgaben ihres Landes verdoppeln, sie haben seit Übernahme der Regierungsverantwortung einen engen politischen Schulterschuss mit den USA vollzogen und betreiben aktiv eine Politik, der aufstrebenden Weltmacht China etwas entgegenzusetzen. Viele Staaten in der Region unterstützen das und fühlen sich unbehaglich mit einem China, das die globale Führung anstrebt und nun mit unfreundlichen Schachzügen im eigenen Vorhof angefangen hat.

Gemeinsam mit den Vereinigten Staaten hat Japan erst jüngst klargestellt: Im Falle eines chinesischen Angriffs auf Taiwan werde man den pro-westlichen und demokratischen Inselstaat mit seinen 25 Millionen Einwohnern gegen eine chinesische Aggression aktiv zur Seite stehen.

Das wird man in Peking nicht gern gehört haben, könnte ich mir vorstellen.

Wurde eigentlich jemals final aufgeklärt, was das Motiv des Attentats auf Papst Johannes Paul II am 13. Mai 1981 gewesen ist? Dessen überraschende Wahl, dessen klarer antikommunistischer Kurs und dessen triumphale erste Reise in sein Heimatland Polen, die Proteste auf der Danziger Werft, die Gründung der ersten freien Gewerkschaft im kommunistischen Polen – alles mit aktiver Begleitung der katholischen Weltkirche waren ein wichtiger Mosaikstein, der den sowjetischen Machtbereich ins Wanken brachte. „Wie viele Divisionen hat der Papst“ und so, Sie kennen das…

Wem nützt es? Ich denke, diese Frage ist im aktuellen Fall zielführender, als dem Geld zu folgen…

Schönen Sonntag wünscht

Ihr Chefermittler Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.