Das C immer fest im Blick: Gut, dass der „Ochsensepp“ die CSU von Markus Söder nicht erleben musste

von MARTIN D. WIND

MÜNCHEN – „Der Ochsensepp“ wie er sich gerne nennen ließ, hätte gestern, am 27. März, seinen 123. Geburtstag gefeiert. Es darf allerdings angenommen werden, dass Josef Müller, wie der Ochsensepp mit bürgerlichem Namen hieß, ganz froh ist, dass er diesen Geburtstag nicht mehr unter den Lebenden verbringen muss. In diesen Zeiten.

Wer ist dieser Mann mit dem kernigen Spitznamen, und was macht ihn erwähnenswert? Und was ist so traurig, dass es gut ist, dass der Ochsensepp es nicht mehr erleben muss?

Müller ist einer der Gründer der „Christlich-Sozialen Union“ (CSU). Ein Urgestein bayerischer Politik, dem die  programmatische Entleibung der Volksparteien – der CSU in Bayern und der CDU in Restdeutschland – erspart geblieben ist.

Der Ochsensepp gehört zu einer Generation, die für ihre Überzeugungen ins Gefängnis musste. Menschen, die aufrecht für ihre Religion einstanden und aus den Lehren ihrer Religion die Grundhaltungen entwickelten, die in ihrem Weltbild mündeten und dann auch ins Parteiprogramm einflossen.

Schon mit 18 Jahren musste der junge Katholik, vorerst ohne Schulabschluss, in den Ersten Weltkrieg ziehen. 1919 konnte er das Abitur ablegen und studierte Jura und Wirtschaftslehre. 1925 schloss er das Studium mit einer Promotion zum Doktor der Volkswirtschaft ab, bestand Staatsexamina und eröffnete 1927 eine Rechtsanwaltskanzlei in München. Müller stammte aus einer katholischen Familie, besuchte eine erzbischöfliche Schule und lebte während des Alltags im Studium seinen Glauben unter anderem in zwei Korporationen des Kartellverbandes. Politisch engagierte er sich in der Bayerischen Volkspartei (BVP) für die er 1933 in den Kreistag einzog und sogar das Präsidium leitete.

Sein Katholizismus, sein politisches Denken und Handeln, bringen ihn in Opposition zum Nationalsozialismus und führen ihn in Kreise des katholischen wie auch militärischen Widerstands. Er wird einer der Kuriere, die dem Papst und der Kurie Bericht erstatten und über den Vatikan mit den Westalliierten Kontakt aufnehmen. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen fällt Verdacht auf ihn, er wird verhaftet und landet im KZ. Trotz aller Schwierigkeiten, trotz seines Wissens um die Gefahren seines Handelns und trotz Bedrohung seines Lebens, zeigt Müller hier die Grundlagen seines späteren Wirkens während der Gründung der CSU: Hartnäckigkeit und Treue zu den eigenen Werten sowie Widerstandskraft gegen zeitgeistige Moden.

Kaum ist Müller 1945 nach München zurückgekehrt, macht er sich Gedanken über die Ausrichtung einer neuen Partei, deren Programmatik und strukturelle Verfasstheit. Für ihn und viele Mitstreiter ist klar, dass christliche Werte die tragende Grundlage darstellen müssen. Eingedenk der polarisierenden Wirkung konfessioneller Prägung der Parteien in der Weimarer Republik und der daraus erwachsenen Schwächung der christlichen Einflüsse in die Gesellschaft, war den meisten Beteiligten eine überkonfessionelle Ausrichtung wichtig. In der Gründungsphase der CSU von Herbst ’45 bis ins Frühjahr ’46 war Müller Vorsitzender und blieb es auch nach Gründung der CSU bis 1949.

Die innerparteilichen Richtungsstreitigkeiten der Gründungsphase der CSU wirken heute beinahe wie Luxusprobleme: Damals rangen die in der neuen Partei vereinten konfessionellen Strömungen noch miteinander um die Deutungshoheit und inhaltliche-programmatischen Konsequenzen des „Christseins“. Heute muss man erleben, dass ein Vorsitzender und Ministerpräsident Markus Söder das christliche Symbol des Kreuzes im Wahlkampf erst politisch instrumentalisiert, um sich kaum zwei Jahre später vom eigenen Erlass zu distanzieren. Dem Christlichen in Partei und Gesellschaft hat Söder einen Bärendienst erwiesen, das Kreuz profaniert und die Relevanz des Christlichen durch seine Distanzierung marginalisiert: „Ihr Christen seid nicht so wichtig, als dass man auf Euch noch Rücksicht nehmen müsste“ ist die Botschaft. Was Söder dabei übersieht: Diejenigen, die er mit der opportunistischen Aushöhlung der weltanschaulichen Fundamente der C-Partei vor den Kopf stößt, wenden sich ab. Das Wechselwählermilieu, das er sich mit seinem machtorientierten Opportunismus zu erschließen versucht, ist wankelmütig und mainstreamorientiert. Auf diese Wähler kann er sich nicht verlassen. Ihr Wahlverhalten folgt hedonistischer Beliebigkeit.

Der Ochsensepp war kein Heiliger, auch er war ein politischer Taktierer. Aber er hat dabei den Kern der Weltanschauung und Programmatik der Partei nicht verraten. Er behielt die Werte, das „C“ immer im Blick und warf sie nicht aus machtpolitischem Kalkül über Bord. In der heutigen Politik würde er für eine solche Prinzipientreue sicher als „politisch unklug“ von den derzeit amtierenden Strategen verlacht. Es wird sich zeigen, wessen Agieren tragfähiger ist. Noch steht die CSU in Bayern mit 46 Prozent in der Wählergunst. Das scheint mehr Mangel an ernstzunehmender Konkurrenz, Folge einer „gewachsenen politischen Landschaft“ und Ausdruck von Tradition als Überzeugung.

Wie schnell man sich durch Zeitgeist ins Abseits stellen kann, exerziert die Schwesterpartei CDU derzeit auf bundespolitischer Bühne vor. Warum die Partei des Ochensepp sich von Söder diese Selbstzerstörung auch oktroyieren lässt, ist angesichts der abschreckenden Bilder aus der CDU in keiner Weise zu verstehen.

Bildquelle:

  • Josef_Müller_CSU_Ochsensepp: hanns-seidel-stiftung

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