ROM – Das Jahr 2025 markiert einen Wendepunkt in der Religionsgeschichte. Mit rund 2,6 Milliarden Anhängern bleibt das Christentum die mit Abstand größte Glaubensgemeinschaft der Welt. Doch wer heute das Wort „Christ“ hört und dabei an eine neugotische Kirche in Europa denkt, unterliegt einem gewaltigen Irrtum. Das Christentum wächst zwar, aber es tut dies in einer Weise, die die alten Machtzentren des Vatikans oder der evangelischen Landeskirchen zunehmend marginalisiert. Während der Globale Norden eine beispiellose Säkularisierung erlebt, findet im Globalen Süden eine religiöse Revolution statt.
Wer gewinnt, wer verliert?
Die christliche Landschaft teilt sich heute in vier große Blöcke auf, deren Dynamik unterschiedlicher nicht sein könnte:
Die Katholiken (1,4 Milliarden Gläubige)
Die römisch-katholische Kirche bleibt das schwerste Schiff in der Flotte. Ihr Wachstum findet fast ausschließlich in Afrika und Asien statt. In Lateinamerika hingegen, der einstigen „katholischen Festung“, bröckelt die Vorherrschaft. Millionen Menschen kehren dem Katholizismus den Rücken. Dennoch sorgt die schiere Geburtenrate in Afrika dafür, dass die Gesamtzahl der Katholiken stabil steigt.
Die Protestanten (600-900 Millionen)
Hier muss man differenzieren. Die klassischen, liberalen Protestanten (wie in Deutschland oder den USA) schrumpfen rasant. Sie verlieren durch Kirchenaustritte und Überalterung an Bedeutung. Doch innerhalb des Protestantismus gibt es eine Machtverschiebung hin zu den Evangelikalen.
Die Evangelikalen und Pfingstler (680 Millionen)
Dies ist der eigentliche Motor des christlichen Wachstums. Die Pfingstbewegung (Pentekostalismus) ist die erfolgreichste religiöse Bewegung der Moderne. Mit einer emotionalen Liturgie, Heilungsversprechen und dem Fokus auf eine persönliche Geist-Erfahrung gewinnen sie jährlich Millionen Anhänger in Brasilien, Nigeria und Südkorea hinzu. Sie stellen heute oft das aktivste und politisch einflussreichste Segment des Christentums dar.
Die Orthodoxen (290 Millionen)
Die orthodoxen Kirchen bilden den stabilsten, aber auch am wenigsten expansiven Block. Ihr Zentrum liegt in Osteuropa und Äthiopien. Während die russische Orthodoxie nach wie vor politisch stark ist, leidet die Konfession insgesamt unter der demografischen Krise in Osteuropa. Das Wachstum findet hier fast nur noch organisch (durch Geburt) statt, kaum durch Mission.
Die geografische Achsenverschiebung: Der Süden übernimmt
Das Jahr 2025 bestätigt: Das Christentum ist keine „westliche“ Religion mehr. In Subsahara-Afrika leben heute mehr Christen als in ganz Europa. Diese „Afrikanisierung“ des Glaubens hat Folgen für die Lehre: Während westliche Kirchen über Reformen bei Themen wie Zölibat oder LGBTQ-Rechten diskutieren, ist das Christentum im Globalen Süden konservativer, bibeltreuer und charismatischer geprägt.
Trotz des christlichen Wachstums auf 2,6 Milliarden Menschen zeigen Prognosen (Pew Research Center), dass der Islam gegen Ende des 21. Jahrhunderts die größte Weltreligion sein wird.
Das hängt wesentlich mit Demografie und Altersstruktur zusammen
Muslime haben weltweit die höchste Fertilitätsrate (durchschnittlich 2,9 Kinder pro Frau, im Vergleich zu 2,6 bei Christen). In Regionen mit hohem christlichem Anteil, wie Europa oder Nordamerika, liegt die Rate oft weit unter dem Reproduktionsniveau (1,4 bis 1,8). Daraus folgt, dass die muslimische Welt im Durchschnitt deutlich jünger ist. Ein größerer Anteil der Bevölkerung befindet sich im gebärfähigen Alter, während die christliche Welt (besonders im Norden) altert.
Hinzu kommt: Während das Christentum massiv missioniert (besonders Evangelikale), verliert es gleichzeitig Millionen Menschen durch Säkularisierung (Atheismus/Agnostizismus) in der westlichen Welt. Der Islam hingegen weist eine höhere „Bindungsrate“ auf; formale Austritte sind in vielen muslimisch geprägten Ländern selten oder gesellschaftlich geächtet. Vielerorts werden sie mit Gewalt sanktioniert.
Fassen wir zusammen
Das Christentum ist im Jahr 2025 weiter eine Religion der Superlative: globaler, vielfältiger und lebendiger als je zuvor – sofern man den Blick von Europa wegwendet. Das Wachstum wird von den Pfingstkirchen im Süden getrieben, während die alten Institutionen des Nordens erodieren. Dass der Islam langfristig zahlenmäßig vorbeiziehen wird, liegt nicht an einem Scheitern der christlichen Mission, sondern an der unerbittlichen Logik der Demografie. Dennoch bleibt das Christentum auf absehbare Zeit die prägende kulturelle und soziale Kraft auf fast allen Kontinenten.
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