Das System umstürzen? So schlecht ist es nun wirklich nicht….

Liebe Leserinnen und Leser,

Politik und Medien waren gestern in heller Aufregung, weil ein Umsturz bevorstand. Nur das beherzte Eingreifen von Nancy Faeser und 3000 Polizisten hat uns vor einem schlimmen Schicksal bewahrt. Oder so, jedenfalls will man es uns so erklären.

Ich weiß nicht, wie groß die Gefahr tatsächlich war. Wenn ich über den Tag so lese, was für Dilletanten die deutsche Regierung stürzen wollten, neige ich zu der Auffassung, dass die tatsächliche Gefahr wohl nicht so dramatisch gewesen sein dürfte. Andererseits hat der Staat eine Pflicht, uns Bürger und unsere gewählten Repräsentanten zu schützen vor möglichen Anschlägen, also lieber auf Nummer Sicher gehen.

Dieses System, das Manche hassen, obwohl sie gut darin leben, ist keine schlechte Sache, Demokratie, Gewaltenteilung, man kann hier gegen die Regierung vor Gericht ziehen und gewinnen. Nicht schlecht, finde ich wirklich. Was dann doch schlecht läuft heutzutage ist deshalb, weil wir es uns haben aus den Händen nehmen lassen. Und weil zu viel Zynismus und Korruption in der Politik Einzug gehaten hat. Ich könnte stundenlang über Beispiele schreiben, die ich teilweise als Reporter auch selbst erlebt habe.

Das System ist gut, es ist durchdacht, es ist strukturiert, aber es scheitert am Faktor Mensch. Nicht immer, aber leider oft.

Sie wissen, dass ich pauschaltes Politiker-Bashing ablehne. Ich kenne Abgeordnete von unterschiedlichen Parteien, die ihre Aufgabe und ihr Mandat ernstnehmen. Aber ich kenne auch andere, die faul sind, die sich Reden grundsätzlich von wissenschaftlichen Mitarbeitern der Fraktion schreiben lassen und dann einfach nur vorlesen am Rednerpult im Plenum. Die dann aber bei jeder Auslandsreise, bei jedem Buffett ganz vorn dabei sind. Es ist schwer, Politiker pauschal zu beurteilen, aber wahr ist auch: ohne geht es einfach nicht.

Natürich, werden Sie jetzt rufen, Volksabstimmung wie in der Schweiz! Ja, kann man machen, wenn es um die große Richtung der nationalen Politik geht. Aber auch die Schweiz hat natürlich ein Parlament und Abgeordnete.

Es ist wichtig, dass wir am parlamentarischen System etwas ändern, als erstes: die deutliche Verkleinerung der Parlamente. Dass eine Wirtschafts- und Atommacht wie die USA mit 330 Millionen Menschen damit auskommen, von 400 Abgeordneten vertreten zu werden, und wir 83 Millionen Deutschen über 700 brauchen, das it rational nicht zu erklären. Und was ist mit der persönlichen Haftung von Politikern für Fehlentscheidungen? Was ist mit mehr offener Debatte, mehr Meinungsaustausch, mehr lagerübergreifenden Initiativen? Es gibt so viele Dinge, die man anders und besser machen könnte. Aber das System an sich, das ist gut.

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Kaus Kelle

Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende

Jetzt spenden (per PayPal)

Jetzt abonnieren

Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.