Die Seele unserer Autonation wankt: Was wird aus dem Diesel?

von PROF. DR. PATRICK PETERS

BERLIN – Dieselskandal der Automobilindustrie und Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in bestimmten Städten unter bestimmten Bedingungen, dazu kommen Diskussionen über erhebliche Preissteigerungen beim Tanken und gesetzlich vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeiten auf Autobahnen: Es steht nicht gut um die Seele der Autonation Deutschland.

Zwar freuen sich die großen Autokonzerne derzeit über positive Ergebnisse beim Absatz: Die weltweite Autoindustrie hat im ersten Quartal einer Studie zufolge schon wieder mehr umgesetzt und operativ auch mehr Geld verdient als vor der Corona-Krise. Der Gewinn der größten Autohersteller vor Abzug von Zinsen und Steuern stieg der Branchenerhebung des Beratungsunternehmens EY zufolge im Zehn-Jahres-Vergleich auf den höchsten überhaupt in einem Startquartal gemessenen Wert. Und der Automobilabsatz in den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik China wird wohl schon in diesem Jahr wieder das Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019 erreichen.

Aber wo Licht, da auch Schatten: Denn die (deutsche) Automobilindustrie steht vor weitreichenden Disruptionen. Alternative Antriebe und autonomes Fahren sind nur zwei Schlagworte, dazu kommt das zurückgehende Interesse jüngerer Generationen an eigenen Fahrzeugen und die Beliebtheit hipper Produkte wie Tesla. Die Marktkapitalisierung (also der rechnerische Gesamtwert der in Umlauf befindlichen Aktien eines börsennotierten Unternehmens) des US-Unternehmens ist mit 435 Milliarden Euro übrigens fast 120 Milliarden Euro höher als der von BMW, Daimler, Porsche und Volkswagen zusammen. Und das Apple- und Google-Car steht mehr oder weniger in den Startlöchern. Das wird nochmals für zusätzliche Verschiebungen sorgen.

Da kommt die neueste verkehrs- und umweltpolitische Nachricht zur Unzeit. Laut Urteil des Europäische Gerichtshofs (EuGH) hat Deutschland jahrelang nicht genug gegen die hohe Belastung mit Stickoxiden (NOx) in den Städten getan und damit gegen europäisches Recht verstoßen. Die Richter gaben einer entsprechenden Vertragsverletzungsklage der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik statt, weil Deutschland systematisch gegen die Luftqualitätsrichtlinie verstoßen habe. Die Grenzwerte seien von 2010 bis 2016 in 26 Städten „systematisch und fortdauernd“ überschritten worden. Deutschland habe sich auch nicht ausreichend bemüht, diese Versäumnisse nachzuholen.

Direkte Strafen oder Sanktionen sind mit dem Spruch zunächst nicht verbunden. Das große Aber: Mit dem Urteil sind aber neue Auflagen zum Beispiel für Dieselfahrzeuge an bestimmten Orten nicht ausgeschlossen. Natürlich freut sich einer besonders darüber. Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der berüchtigten Deutschen Umwelthilfe (DUH), sagt: „Die rechtskräftige Verurteilung der Bundesregierung durch das höchste europäische Gericht ist eine schallende Ohrfeige für die Diesellobbyisten auf der Regierungsbank.“

Natürlich ist das zunächst nicht mehr als populistisches Feiern der selbst zugesprochenen ökologisch einwandfreien Haltung. Aber ein großer Funke Wahrheit steckt schon darin. Denn die deutsche Automobilindustrie hat das Theater um den Diesel selbst verursacht und das vorrangige Mobilitätssystem für Millionen von Pendlern, die auf einen geringen Verbrauch angewiesen sind, systematisch durch die Abgasmanipulationen an den Motoren vor die Wand gefahren. VW, Mercedes-Benz, Audi, Porsche, Skoda und Co.: Seit Jahren werden die Hersteller von Dieselfahrzeugen vor Gericht gezerrt und verlieren reihenweise gegen geschädigte Verbraucher, die nicht auf ihren Fahrzeugen sitzenbleiben wollen, in denen nachweislich sogenannte illegale Abschalteinrichtungen verbaut sind. Diese verzerren die Abgaswerte bei offiziellen Prüfungen und treiben diese im Straßenverkehr dann in die Höhe. Laut DUH soll es fast zehn Millionen solcher Fahrzeuge geben. So ist es fast kein Wunder, dass die zulässigen Grenzwerte für Stickstoffdioxid überschritten werden.

Das ist eher ungünstig gelaufen für die deutsche Automobilindustrie. Diese zeigt zwar, dass sie an der Zukunft arbeitet, und entwickelt mehr und mehr umweltfreundliche Alternativen. Aber wie es mit dem Diesel weitergeht, steht in den Sternen. Das ist schade um einen sehr beliebten und eben sparsamen Antrieb. Wie dieser Vielfahrermotor adäquat ersetzt werden soll, erschließt sich leider noch nicht – bei allen guten Plänen zur Rettung des Planeten

Bildquelle:

  • Diesel_Abgabe: pixabay

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