„Dieses Russland ist unser Feind!“

Liebe Leserinnen und Leser,

das einzig Mysteriöse am abrupt verstorbenen Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin ist, dass es so lange gedauert hat. Es ist immer das gleiche Vorgehen, nur die Methoden variieren. Wer aufmuckt ist raus und kommt entweder für Jahrzehnte ins Lager, Nervengift in den Tee oder Polonium in die Blutbahn. Erstaunlich viele fallen versehentlich aus dem Fenster, manche bekommen beim Joggen im Park eine Kugel in den Kopf geschossen. Von hinten natürlich. Und mancher stirbt sogar überraschend beim Saunagang am Sonntag.

Gestern Mittag traf ich in Berlin einen Bundeswehr-Offizier zum Mittagessen. Es ging um dies und das, Klagen über die Politik in Deutschland, Urlaubserlebnisse und sowas. Und natürlich kam das Gespräch auch auf Russlands Krieg gegen die Ukraine zu sprechen. Und wie jetzt Milliarden Euros mobilisiert werden und an die Ukraine fließen, während die Regierungen in Berlin über Jahrzehnte kein Geld für unsere eigenen Streitkräfte, für die Bundeswehr, ausgeben wollten.

„Dieses Russland ist unser Feind“, sagte mein Gegenüber ohne ein Zucken um die Mundwinkel. Und wir beide bedauern, dass das so ist. Aber das Putin-Regime ist eine Verbrecherbande. Und das ist keine Übertreibung, das ist ein Fakt, der für jeden erkennbar ist. Jedenfalls für diejenigen, die mit offenen Augen durch die Welt schlendern. „Russland hat eine hoch entwickelte Kultur, aber es ist keine Zivilisation“, sagte mir mal ein anderer Freund, der viele Jahre dort gelebt und gearbeitet hat. Und ich selbst habe verschiedentlich in Artikeln über meine Begegnungen mit Russen, mit der russischen Seele, der schwermütigen Musik, der Weltliteratur für Sie geschrieben.

Über das unendliche Wodkasaufen bei öffentlichen und privaten Anlässen, über das Titelbild der Tageszeitung der Stadt Istra, wo ich auf einer Titelseite beim Händeschütteln mit dem Bürgermeister unter einem Lenin-Portait zu sehen bin. Momente für die Ewigkeit, in irgendeiner Erinnerungskiste habe ich das noch im Keller. Und über die unglaublich schönen Frauen in Moskau, die ich als Gattung Schönheit so noch in keiner anderen Stadt auf der Welt massiert gesehen habe. Atemberaubend.

Und in Berlin kaufte ich vor vielen Jahren eine Karte in der Deutschen Oper, um Mikhail Nikolayevich Baryshnikov tanzen zu sehen. Ich! Ballett! Unglaublich, oder?

Nein, es ist nicht Russland, es sind nicht die herzlichen und gastfreundlichen Menschen. Es ist die politische Führung, dieses menschenverachtende Regime, diese Verbrecherbande im Kreml, die lügt und mordet, für die ein Menschenleben keinen Cent wert ist.

„Russland ist unser Feind“, ja, das ist wohl leider inzwischen wieder so. Nicht die Russen als Volk, aber Wladimir Putin und seine Vollstrecker sind die Feinde aller demokratischen und zivilisatorischen Errungenschaften, aller Menschen guten Willens. Niemals dürfen wir, niemals darf Deutschland, dürfen Europa und der Westen dieser Bande von Barbaren vertrauen, egal, was sie tun. Das ist die Lehre der vergangenen Monate seit dem 25. Februar 2022.

Mit besorgten Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.