Europa rückt nach rechts – und der Himmel ist uns nicht auf den Kopf gefallen

ARCHIV - Die Vorsitzende der rechtsradikalen Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens): Giorgia Meloni. Foto: Oliver Weiken/dpa

von KLAUS KELLE

ROM/STOCKHOLM – Seit gut zwei Monaten wird Italien von einer rechten Regierung geführt. Georgia Meloni ist Ministerpräsidentin, getragen von der stärksten Partei in Italien, der Fratelli d’Italia, die ihre historischen Wurzeln im Faschismus hat. Und das Erstaunliche: der Europäischen Union ist noch nicht der Himmel auf den Kopf gefallen, wie Majestix in den Asterix-Comics das so schön formulierte.

Die Rechten in Europa haben Erfolg

Nicht nur in Italien, sondern zuletzt auch in Schweden, wo die rechten Schwedendemokraten erstmals an einer Regierungsbildung beteiligt wurden. Naja, und die PiS in Polen und Viktor Orbans Fidesz in Ungarn kennen Sie ja! Da braut sich was zusammen gegen Brüssel, und ich finde das gut, denn wer den ökosozialistischen Kurs der EU-Parlamentsmehrheit aufhalten will, muss an den Wahlurnen ein klares Zeichen setzen.

Nun müssen Sie nicht denken, dass da jetzt eine nationale Allianz in der EU den Laden übernimmt, aber Frau von der Leyen und die Herren Scholz und Macron dürften bemerkt haben, dass es in der Gemeinschaft deutlich frostiger werden dürfte als es in den vergangenen Jahren war.

Und gerade erst hat Orban seine ungarischen Werkzeuge gezeigt, als die EUCorona-Milliardenhilfen nicht auszahlen wollte, weil der eine Politik macht, die sich zuerst an den Interessen des ungarischen Volkes orientiert als an der Brüsseler Bürokratie. In der EU herrscht Einstimmigkeitsprinzip. Sanktionen gegen Russland? Natürlich- aber wo ist die Gegenleistung für Orban und Ungarn?

Als Giorgia Melonis Fratelli d’Italia die Wahl im September gewonnen hatte, war die Unsicherheit groß in der EU. Denn die smarte Politikerin hatte eine härtere Gangart gegenüber den Migrantenströmen übers Mittelmeer nach Italien angekündigt. Gleichzeitig weiß sie aber auch, dass es Probleme mit Brüssel geben kann, wenn man dort ihrem Land die Corona-Milliardenzuschüsse plötzlich verweigert, wie man es ja bei Orban auch versucht.

«Die Befürchtungen waren übertrieben und unangebracht», sagt der Politik-Analyst Wolfango Piccoli. Denn Meloni ist in der Realpolitik angekommen. Schon im Wahlkampf präsentierte sie sich als konservativ aber moderat. Die rechten Schreihälse sind niemals die Mehrheit. Der alte Leitspruch, nach dem Wahlen in der Mitte gewonnen werden, gilt nicht nur für Deutschland. Und wenn man in der EU etwas verändern will, dann muss man eben drin bleiben und mitmachen. Und nicht, wie die AfD, auf einem Bundesparteitag den „Dexit“ zur Forderung erheben – als einzige relevante rechte Partei in Europa.

Jedenfalls steht die 45-jährige Meloni in den Umfragen gut da. Dir bürgerliche Mitte hat mit ihr offenkundig ihren Frieden geschlossen, und die stramm Konservativen ebenso.

In Schweden versammelten die Rechten im September ein Fünftel der Wählerschaft hinter sich

In Schweden! Dem einstigen Phantasialand der europäischen Sozialdemokratie. Doch auch dort ist die Bevölkerung wachgeworden angesichts der Bandenkriminalität junger Migraten in den Großstädten mit zahlreichen Todesopfern inzwischen. Der Erfolg der Rechten liegt auch dort wesentlich beim Flüchtlingsthema.

Ihr Parteichef Jimmie Åkesson kündigte nach der Regierungsbildung in Stockholm einen «Paradigmenwechsel in der Einwanderungs- und Integrationspolitik» an. Die Zahl der Flüchtlinge und Migranten wird nun deutlich beschnitten. Mit einer nicht linken Mehrheit, die zustande kommt, weil auch die Schwedendemokraten in der Realpolitik angekommen sind. Und weil sie nicht die EU-Mitgliedschaft Schwedens in Frage stellen.

Weiter östlich in Warschau und Budapest reibt man sich jedenfalls schon einmal die Hände – weniger wegen des Regierungswechsels in Schweden, sondern mehr wegen der neuen starken Frau in Italien. Vor allem Ungarns Regierungschef Viktor Orban, aber auch die polnische Regierungspartei PiS um Ministerpräsident Mateusz Morawiecki zeigen Meloni viel Zuwendung. Orban sieht in ihr eine womöglich gewichtige Verbündete im Kampf gegen die europäischen Institutionen. Uneinigkeit könnte jedoch ausgerechnet das rechte Dauerthema Migration säen: Italiens Hardliner wollen die Flüchtlinge, die sie nicht abweisen können, auf andere EU-Staaten verteilen – Orban will keine aufnehmen.

Bildquelle:

  • Giorgia Meloni: dpa

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.