Europas Rechte mit Machtperspektive – die AfD muss draußen bleiben

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

am deutschen Wesen soll die Welt genesen? Bei Europas Rechten ist dieser überlieferte Spruch spätestens seit gestern definitiv Vergangenheit. Die AfD ist raus, sowas von raus, so raus kann man gar nicht sein.

Denn in Europa bahnt sich zumindest ein leichter Umschwung an, eine Zusammenarbeit zwischen Bürgerlich-Konservativen und Rechten – die einzige Machtoption, die einen Politikwechsel möglich erscheinen lässt. Nach den beeindruckenden Wahlerfolgen der Rechten zuletzt in den Niederlanden, zuvor in Ungarn, Schweden und Italien schaut man sich bei der großen Europäischen Volkspartei (EVP) genau an, wie zukünftig Mehrheiten für eigene Positionen, vor allem aber auch das eigene Spitzenpersonal, zu konstruieren sind.

Will heißen: die realpolitische Rechte in Europa ist nahe daran, an den Tischen der Macht platznehmen zu können. Das bedeutet Einfluss, Macht und Geld.

Die AfD ist davon Lichtjahre entfernt

Gestern hat die ID-Fraktion in Brüssel den Ausschluss der kompletten AfD-Delegation beschlossen. Alle raus, nicht nur Maximilian Krah. Der war als Person ohnehin immer wieder in der Kritik auch wegen seines russlandfreundlichen Kurses, was besonders viele Osteuropäer störte, die sich noch gut an frühere Erfahrungen mit Moskau erinnern. Aber auch wenn man an einzelne Reden des AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland denkt, die besonders bei der polnischen PiS sauer aufstießen.

Nun können nach der Europawahl die Reste der bisherigen ID-Fraktion und die Abgeordneten der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) intensiver zusammenarbeiten, als das mit dieser AfD möglich wäre. Eine bürgerlich-konservative Rechte hätte alle Chancen, mit der EVP zu kooperieren. Mit einem Krah wäre das unvorstellbar.

Le Pen, Salvini und Meloni könnten dann als Preis für zum Beispiel das Beenden des „Green Deal“-Projektes mit Verbrenner-Aus eine Unterstützung von Personalvorschlägen der EVP anbieten – und umgekehrt. Realpolitik nennt man das.

Marco Gallina schrieb gestern bei „Tichys Einblick“ in einer wirklich lesenswerten Analyse zum Thema:

„Selbst die polnische PiS, gedemütigt von der EU und EVP, könnte dazu bewegt werden, von der Leyen zu wählen, wenn man an der Macht beteiligt wird und die vereinte Rechte auf einen anti-russischen Kurs einschwenkt, den es mit der AfD nicht gegeben hätte. Indes diskutiert das Parteimilieu der AfD noch darüber, dass Krah ja inhaltlich recht hätte und man noch einmal über die Rolle der SS sprechen sollte, und spielt die altrechte Leier von Reeducation und Schuldkult. Andernorts werden Bündnisse geschmiedet und die Weichen für die Zukunft gestellt.“

Dem ist nichts hinzuzufügen, doch halt, eins noch…aus der AfD-Spitze hört man heute Morgen, dass sich Bundessprecher Tino Chrupalla gerade um die berufliche Fortentwicklung der Karriere von Frank Pasemann bemüht. Frank Pasemann, Sie erinnern sich? Pasemann aus Magdeburg war in der DDR bei LDPD, dann nach der Wende bei FDP, dann AfD, für die er 2017 bis 2021 im Deutschen Bundestag saß.

Pasemann, eine schillernde Figur im rechtsextremen Millieu, wurde im August 2020 vom Landesschiedsgericht der AfD in Sachsen-Anhalt aus der Partei ausgeschlossen. Gründe waren parteischädigendes Verhalten, illegales Spendensammeln und nicht gezahlte Mandatsträgerabgaben. Das Bundesschiedsgericht der AfD bestätigte den Parteiausschluss.

Und wie reagierte das Parteivolk?

Am 10. Oktober 2020 wählte es den ausgeschlossenen Pasemann einstimmig als Direktkandidaten für die Bundestagswahl 2021 in Magdeburg. Da scheiterte er mit immerhin noch respektablen 17 Prozent. Mich erinnert das an die Aufstellung von Krah als Spitzenkandidat zur Europawahl. In der AfD-Wagenburg will man vor allem erstmal eins: dagegen sein, gegen die Altparteien und „das System“. Und deshalb wird das Projekt AfD grandios scheitern, wenn sie so weitermachen.

Chrupalla wolle – so erzählt man sich in der AfD – Pasemann nach der Europawahl zum „Verbindungsmann“ zwischen der AfD – aus der er ausgeschlossen wurde – und der neuen AfD-Delegation im EU-Parlament machen. Am Vormittag dann wurde schon wieder zurückgerudert. Chrupalla habe das gar nicht vorgehabt, heißt es jetzt aus dem inneren Kreis. Ich hole frisches Popcorn.

Manche Dinge sind so skurril, das kann man sich gar nicht ausdenken.

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.