BERLIN: Noch vorgestern versicherten Getreue im Umfeld von Hans-Georg Maaßen, er werde im November in Suhl erneut als Bundesvorsitzender der von ihm gegründeten konservativen Partei WerteUnion kandidieren. Gestern Abend ging es dann ganz schnell. Mit einem Brief an alle Mitglieder informierte er über seinen Rücktritt und Austritt aus der Partei. Mehrere Mitglieder des Bundesvorstands folgten ihm. Als erstes Medium bekam TheGermanZ den Politiker am Vormittag zu sprechen.
Herr Maaßen, Sie sind Gründer und waren bis gestern Abend Bundesvorsitzender der konservativen WerteUnion. Dann haben Sie hingeschmissen, mit Ihnen der engste Führungskreis. Sind Sie die dauernden Grabenkämpfe einfach leid?
Nein, die Grabenkämpfe waren ärgerlich, aber nicht entscheidend.
Maßgebend war, dass wir nach vielen Diskussionen und Beratungen zu dem Ergebnis kamen, dass sich die Rahmenbedingungen für die Partei so verschlechterten, dass unser ursprüngliches Ziel, mit der WerteUnion eine Politikwende in Deutschland zu erreichen, unrealistisch ist. Den Anstoß für unsere Austrittsentscheidung gab die Mitgliederversammlung des „WerteUnion Fördervereins“ am vergangenen Samstag in Weimar. Der Förderverein war die „Mutter“, Namensgeberin, Hauptsponsorin und der Rekrutierungspool der Partei. Durch die Neuwahl des Vorstands der Fordervereins, der sich jetzt nahezu ausschließlich aus Personen zusammensetzt, die nicht der WerteUnion-Partei angehören oder die Mitglieder einer konkurrierenden Partei sind, hat sich der Verein faktisch von der Partei getrennt. Damit geht die Unterstützung, die wir bisher vom Verein erhalten hatten, verloren oder wird in Frage gestellt.
Wenn man bei einem Projekt erkennt, dass sich die Rahmenbedingungen so dramatisch verschlechtert haben, dass das Ziel nicht mehr erreicht werden kann, darf man nicht einfach weitermachen, sondern muss die Konsequenz ziehen und das Projekt für sich abbrechen. Wenn etwas früher richtig und zukunftsfähig war, bedeutet es nicht, dass es auch unter veränderten Bedingungen immer noch richtig und zukunftsfähig ist.
Warum jetzt der Sinneswandel? Gestern hieß es in Chatgruppen der Partei noch, Sie würden kämpfen und in Suhl im November erneut kandidieren…
Ich kenne diesen Post nicht, und er stammt auch nicht von mir und meinem Umfeld. Ein Parteitag im November hätte nichts an der chancenlosen Situation der Partei geändert.
Sie waren und sind der Repräsentant des bürgerlich-konservativen Milieus in Deutschland, die kein Vertrauen in die Merz-Union aber auch nicht in eine Putin-freundliche AfD haben. Wissen Sie schon, was Sie demnächst wählen werden?
Ich entscheide das erst, wenn Wahlen unmittelbar anstehen.
Es gab in den vergangenen Jahren Dutzende Versuche, eine konservative Partei fest zu installieren im deutschen Parteiensystem. Die AfD hat es geschafft. Alle anderen sind gescheitert. Nun versucht Frau Petry gemeinsam mit Herrn Kemmerich in der Repräsentationslücke zu ernten, was die FDP freigeräumt hat. Ist das eine kluge Idee?
Ich sehe diese Repräsentationslücke nach wie vor. Schauen wir mal, ob Frauke Petry das Kunststück hinbekommt.
Sie waren viele Jahre seit der Jungen Union Mitglied der CDU, aber kein politischer Aktivist. Mit der WerteUnion haben Sie es ernsthaft versucht. Braucht Deutschland überhaupt noch neue Parteien – oder ist im Grunde alles da, was der Wähler an Angeboten braucht?
Es gibt gerade im Westen Deutschlands die Sehnsucht nach einer konservativen und freiheitlichen Partei, die das erfüllt, was CDU/CSU und FDP versprechen. Das sind Bürger, die mit der rechten Rhetorik der AfD nichts anfangen können oder sie sogar ablehnen. Es ist allerdings sehr schwer, diese Wähler mit einer neuen Partei zu erreichen, wenn die Wähler nicht wissen, dass es die Partei gibt oder wenn sie kein Zutrauen haben, dass diese Partei die Fünfprozenthürde überwinden kann.
Viele fragen sich jetzt, was werden Sie machen: Bücher schreiben, Golf spielen oder einen weiteren Anlauf nehmen? In Ihrem Austrittsschreiben an die Mitglieder der WerteUnion schreiben Sie am Schluss: „Wir werden in den nächsten Monaten eine neue Organisationsform finden.“ Mögen Sie unseren Lesern einen Satz mehr dazu verraten?
Ich werde mich weiter für eine Politikwende in Deutschland einsetzen. Die WerteUnion war nie Selbstzweck, sondern immer nur ein Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Mit der WerteUnion war es leider nicht möglich. Aber es ist für mich kein Grund aufzugeben, denn es gibt andere Möglichkeiten, dem Ziel näher zu kommen. Dies kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass man bestehende politische Kräfte unterstützt oder dass man daran arbeitet, die Rahmenbedingungen für eine Politikwende zu verbessern. Das bedeutet vor allem, die breite Masse der Bevölkerung aufzuklären, wachzurütteln und zu mobilisieren. Jeder, der bereit ist mit mir mitzumachen, ist eingeladen, dabei zu sein.
Das Interview führte Klaus Kelle.
Bildquelle:
- Hans-Georg_Maaßen_10: werteunion
