von RALF GRENGEL
Vier Länder, vier Wettbewerbe, vier weitreichende Schirientscheidungen. Im Saisonendspurt legt sich der vielbeschworene Fußballgott nochmals so richtig ins Zeug. So als wolle er den Fans hierzulande mit aller Deutlichkeit vor Augen führen, was passiert, wenn er von der kommenden Saison an in Rente geht.
Schauplatz Wolfsburg, Bundesliga-Relegation. VfL-Stürmer Mario Gomez leitet den Ball mit der Hand zu Mitspieler Malli weiter, dessen Schuss landet aus nächster Distanz am nach hinten schwingenden Arm von Braunschweigs Valsviks.
Der Pfiff ertönt.
Der Schiri übersieht Handspiel Nummer 1, ahndet Handspiel Nummer 2 mit Elfmeter. „Handballer“ Gomez verwandelt persönlich. 1:0, der Endstand im Relegationshinspiel um den letzten freien Platz in der Bundesliga. Nicht auszuschließen, dass dieser Fehlpfiff Wolfsburg den Klassenerhalt sichert und Braunschweig den Aufstieg vermasselt.
Schauplatz Wien, österreichische Bundesliga. Der Tabellenzweite Austria Wien kassiert gegen Meister Salzburg durch ein Abseitstor den 2:2-Ausgleich.
Der Pfiff bleibt aus.
Austria verliert am Ende mit 2:3. Vor dem letzten Spieltag hat Sturm Graz zu Wien aufgeschlossen – punktgleich, selbe Tordifferenz. Nicht auszuschließen, dass dieser fehlende Pfiff Wien noch die Vizemeisterschaft kostet und der Weg in die Europa League so eine zusätzliche, womöglich zu hohe Qualifikationshürde bereithält.
Schauplatz London, Wembley, englischer FA-Cup. Der FC Arsenal gewinnt das Finale gegen Meister Chelsea 2:1. Bereits in der 4. Minute bringt Sanchez die Gunners in Führung. Die Vorlage zum Treffer kommt von ihm selbst – mit der Hand.
Der Pfiff bleibt aus.
Nicht auszuschließen, dass dieser fehlende Pfiff Chelsea das Double gekostet und Arsenal den Weg zum Status „Rekordpokalsieger“ geebnet hat.
Schauplatz Jeonju, Südkorea, U-20-Weltmeisterschaft. Im Vorrundenspiel gegen England (0:3) streckt der argentinische Mittelstürmer Martinez seinen Gegenspieler mit einem brutalen Ellenbogenschlag nieder.
Der Pfiff bleibt aus.
Nicht auszuschließen, dass der Argentinier in den danach anstehenden Partien gegen Südkorea oder Guinea mit dem einen oder anderen Tor noch für das Weiterkommen der Gauchos hätte sorgen können.
Ja, HÄTTE! Konnte er aber nicht. Weil er zwei Minuten nach seinem Schlag mit der Roten Karte vom Platz gestellt wurde. So viel Zeit verging, ehe der Schiri die TV-Bilder ausgewertet und per Videobeweis das Strafmaß festgelegt hatte.
Zwei Minuten Spielunterbrechung für mehr Gerechtigkeit. Diese Zeit sollte jeder mitbringen, der den Sport, der den Fußball liebt. Im Tennis, Hockey oder Eishockey gehören die Unterbrechungen längst zum Standard, sorgen sogar für zusätzliche Spannung auf den Rängen. Linie oder aus? Abseits oder nicht? Foul oder fair?
Die richtigen Antworten entscheiden nicht selten über Sieg oder Niederlage. Klassenerhalt oder Aufstieg. Titelgewinn oder goldene Ananas. Sportlichen Niedergang oder Millioneneinnahmen. Trotzdem gibt’s die Fußballromantiker, die meinen, Fehlentscheidungen gehören dazu, sind das Salz in der Suppe, sorgen für lebhafte Diskussionen. Und der Fußballgott würde im Laufe der Saison ohnehin für ausgleichende Gerechtigkeit sorgen.
Blödsinn!
Weniger Fehlentscheidungen – der Videobeweis wird den Fußball gerechter machen.
Weniger versteckte Fouls – der Videobeweis wird das Fair Play stärken.
Weniger Fanfrust – der Videobeweis wird uns mehr Spaß am Fußball bescheren.
Der Fußballgott kann in Rente gehen. Endlich.
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- Fußball: pixabay