Ganz schön knapp in der Türkei

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser!

Die Präsidentschaftswahlen in der Türkei sind ungewohnt spannend. 20-Jahre-Präsident Recep Tayyip Erdogan ist mit 49,5 Prozent nah dran am Ziel einer erneuten Mehrheit, Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu kommt auf 44,8 Prozent. Beide müssen am 28. Mai in eine Stichwahl.

Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass es oftmals die gleichen Leute sind, die fordern, dass zwei Amtszeiten für Staatschefs und auch für Abgeordnete in nationalen Parlamenten genug sind, die aber gleichzeitig kein Problem damit haben, wenn ein Spitzenpolitiker, den sie favorisieren, 100 Jahre durchregiert.

Gestern hatte ich so jemanden auf Facebook, der 20 Jahre Erdo und auch mehr toll findet, weil der die EU immer ärgert. Oder bei Russland ist es noch schriller. Da hatte man mal ein fortschrittliches Wahlgesetz, das für den Präsidenten eine Amtszeitbeschränkung vorsah – und dann machen sie es aber trotzdem nicht. Erst diese lächerliche Rochade mit Medwedew, der immer mal wieder seine feuchten Träume vom Atombomben-Einsatz zum Besten gibt. Und jetzt wird einfach durchregiert – zur Not auch bis ins vierte Jahrtausend. Ruft ja niemand Stopp!

Demokratie lebt vom friedlichen Wechsel

Von der Balance der politischen Kräfte, von Meinungs- und Chancengleichheit. Aber eben auch vom gelegentlichen Machtwechsel.

Selbst wenn es eigentlich gut läuft. Zum Beispiel in Bayern. Das ist in vielerlei Hinsicht ein herausragendes Bundesland, wirtschaftlich erfolgreich, mit starker Industrie, großen Volksfesten und internationalem Spitzenfußball. Aber 60 Jahre und mehr CSU-Regierung? Kann das gesund sein? Ist da nicht Ämterfilz vorprogrammiert?

Oder nehmen Sie die Situation vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl kommendes Jahr. Hat ein agiles 330-Millionen-Volk, global führend bei Technologie, Wirtschaft und Militär wirklich niemanden aufzubieten als zwei Männer um die 80?

Macht, was ihr wollt! Und Jugend ist kein Ausweis von Qualität, wie wir alle bei den Grünen sehen, die auch schon gar nicht mehr so jung sind.

Aber Demokratie lebt vom gelegentlichen Wechsel. Ich finde, 20 Jahre Erdogan – jetzt ist es auch mal genug!

Eine wunderbare Woche Ihnen allen!

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.