Heute vor 100 Jahren wurde Peter Ustinov geboren: Ein Solitär der Kultur

von MARTIN D. WIND

Eindrucksvoll. Anders kann man es nicht beschreiben: Er hatte seine Lyra in den Händen, zupfte dilettantisch, aber selbstüberzeugt, ein paar Töne. Dabei stand er auf der Dachterrasse seines Palastes und bejubelt hymnisch die Eigenschaften des Feuers, während sich in den Wohnvierteln des Plebs ein Feuersturm seinen Weg durch Rom bahnte: Nero, der Kaiser aus dem Film „Quo vadis“ (Wohin gehst Du?). Oder doch besser: Peter Ustinov, der geniale Schauspieler, der Schriftsteller, der Regisseur und begnadete Komiker. Am 16. April 1921 wurde Ustinov in London geboren und wäre demnach heute 100 Jahre alt geworden.

In „Quo vadis“ spielte Ustinov einen zwischen euphorisch irrer Selbstherrlichkeit und larmoyantem Minderwertigkeitskomplexen hin und hergeworfenen Narzissten, in einer so eindringlichen Art, dass er für viele Generationen „DER“ Nero schlechthin blieb und bis heute ist. Er ist der Archetypus des scheiternden Despoten, der in seiner völligen Verblendung und irren Selbstwahrnehmung, rund um sich herum nur noch verbrannte Erde hinterlassen kann. Beinahe prophetisch wirkt die Darstellung seines angst- und schreckensstarren Hofstaats, der sich in Sarkasmus flüchtet, aber dem Wahnsinnigen nicht in den Arm fällt. Beklemmend.

Es wäre zu kurz gegriffen, würde man den multitalentierten und genial begabten Ustinov auf seine Schauspielerei beschränken. Obwohl er eben auch da herausragende Erfolge feiern konnte: In „Topkapi“ als beschränkter Betrüger Arthur Simpson oder als Meisterdetektivs „Hercule Poirot“, darf man bei aller Begeisterung für die schauspielerische Begabung das Schreibtalent oder auch die Fertigkeiten als Regisseur am Theater und für den Film nicht übersehen.

Legendär wurde seine frei eingesprochene Anmoderation zu einem geplanten Interview mit der indischen Premierministerin Indira Gandhi: „Hier stehe ich also im Garten von Indira Gandhi. Es sind Vögel in den Bäumen. Wächter stehen in den Winkeln. Es ist ruhig.“ Kaum hatte er diese Sätze ausgesprochen kam Unruhe auf und kurze Zeit später war klar, dass Indira Gandhi ermordet worden war. Neben seinen selbst gedrehten Dokumentationen fand das rastlose Multitalent auch noch Zeit, um auf der Bühne zu stehen und Bücher zu schreiben. Immer war seine umfassende Bildung und seine legendäre Sprachbefähigung zu spüren.

Neben der Muttersprache seiner Mutter, Französisch, und der Muttersprache seines Vaters, Russisch, beherrschte er Deutsch, Italienisch Türkisch, Griechisch und Spanisch. Seine Begabungen verschafften ihm sogar den Posten als Rektor der Universität Dundee in Schottland – obwohl er keinerlei akademischen Abschluss vorweisen konnte. Ein tragendes Element, das all seine überreichen Begabungen verband, war sein ungemein hintergründiger und stets präsenter Humor. Sei es in der Interpretation seiner Filmrollen, sei es in seinen Bühnenfiguren oder auch in seinen Theaterstücken und Karikaturen: Immer wurde spürbar, dass da ein Menschen mit viel Liebe für die Menschen schrieb, arbeitete und spielte, mit einer warmherzigen und liebevoll humorigen Art mit den Schwächen der Menschen.

Da mag es kaum verwundern, dass dieser Menschenfreund zum Sonderbotschafter des Kinderhilfswerkes der Vereinten Nationen (UNICEF) ernannt wurde. Er gründete eine eigene Stiftung, forschte und ließ zu Vorurteilen forschen, schrieb darüber ein Buch, engagierte sich politisch und ließ in Afghanistan Schulen bauen. Er wurde von der Queen zum „Sir“ „geschlagen“ und von Bundespräsident Roman Herzog mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Ein wahrhaft würdiger Kreuzesträger – und das war nur ein Auszug seiner zahlreichen Auszeichnungen, Würdigungen und Ehrungen: Er sammelte unter anderem Ehrendoktorwürden, wie andere Briefmarken, er erhielt Medaillen und Orden und Ehrenzeichen, er bekam den Grammy, den Tony Award, den Emmy und zwei Mal den Oscar.

1971 heiratete er das dritte Mal und wurde am Genfersee sesshaft. Sein Privatleben war nie „Schlagzeilen wert“. Es waren immer seine Begabungen, die ihn ins Rampenlicht führten und die ihm Beachtung brachten. Und das will bei so einem Schwergewicht durchaus etwas bedeuten. 2004 verstarb Peter Ustinov, das Ausnahmetalent und Multigenie an Herzversagen mit 82 Jahren. Viel wichtiger ist aber, wie lebendig und präsent noch heute die Figuren, die Texte, Theaterstücke, Schriften und die Ideen diese Solitärs der Kultur sind und bleiben werden. Es mag zu eindimensional, zu engführend wirken, wenn wieder und wieder seine Interpretation des „Kaisers Nero“ hervorgehoben wird. Ustinov war zum Zeitpunkt seines Engagements 30 Jahre alt und hat dennoch einen Typus so archetypisch dargestellt, dass niemand, der „Quo vadis“ gesehen hat, diese eindrücklich und eindringliche Figur je aus seinem Kopf wird verdrängen können. Um so wichtiger ist das Gespür dafür, dass „etwas in der Luft zu liegen scheint“, wenn sich diese Despotenfigur wieder und wieder aus der Erinnerung erhebt. Auch hier wirkt Ustinov noch über den Tod hinaus.

Danke, Sir Peter!

Bildquelle:

  • Nero_Ustinov: screenshot

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