In dieser Liga passiert nichts aus Zufall – von Anzügen und Frisuren unserer Politiker

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser!

Ich hatte Ihnen empfohlen, am Montag darauf zu achten, welche Art von Anzug der ukrainische Präsidenten Wolodymyr Selenskyj tragen wird, wenn er aus dem Auto vor dem Weißen Haus aussteigt. Und ich selbst habe gestern eine Stunde vor dem Bildschirm gesessen, um genau diesen Moment live zu erleben.

Selenskyj hat es gut gemacht. Weil er wusste, dass sein mächtiger Gastgeber Donald Trump Wert auf Etikette legt, kam der Ukrainer im Anzug, im schwarzen Anzug. Aber im Anzug. Und er verzichtete dennoch auf eine Krawatte. Das ist sein gutes Recht, schließlich hat er versprochen, er werde erst dann wieder eine Krawatte tragen, wenn der Krieg in seinem Land vorbei ist.

Und, glauben Sie mir, sowas wird nicht morgens beim Aufstehen im Hotelzimmer entschieden. Bei führenden Politikern ist das Thema Kleindung eminent wichtig.

Wie wirkt jemand, wie will jemand wirken vor der Kamera – seriös in dunkelblau? Oder leger mit offenem Hemdkragen wie einst Wirtschaftsminister Robert Habeck vor dem Felsendom in Jerusalem. Da schauen Sie morgens auf das Foto in der Zeitung und verstehen sofort, was er oder sie uns sagen will.

Oder denken Sie an die jahrelangen Diskussionen um die furchtbare Frisur der schrecklichen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die immer wieder Berater und politisch Freunde mit guten Ratschlägen abwies mit dem Hinweis, sie wolle nicht aussehen wie „so eine CDU-Tussi“. Jedenfalls ist das Zitat von der früheren Parteifreundin Vera Lengsfeld überliefert.

Ich wurde auch hin und wieder mal zu Rate gezogen vor Fernsehauftritten bekannter Politiker, welche Krawatte oder welcher Gesichtsausdruck angebracht wäre. Und bei der Vorbereitung eines längeren Fernsehinterviews eines Ihnen allen bekannten Politikers durfte ich zweieinhalb ganze Tage (!) assistieren und Ratschläge geben wie „nicht immer so oft nicken, wenn der Journalist seine Frage stellt…“ Glauben Sie mir, in dieser Liga passiert nichts aus Zufall. Denken Sie an Frau Baerbocks Friseurrechnungen!

Die Europäer gestern an Trumps Tisch fand ich übrigens ausnahmslos bestens vorbereitet und smart, auch wenn viele Menschen in den asozialen Netzwerken sehr bemüht sind, das tatsächliche Geschehen ihren eigenen Erwartungen anzupassen.

Der deutsche Bundeskanzler, so die Geschichte vornehmlich der AfD-Aktivisten, hat natürlich wieder einmal versagt, oder? Wussten wir ja. Stimmt allerdings nicht. Merz macht – anders als in der Innenpolitik – auf internationalem Parkett seit Amtsantritt eine hervorragende Figur. Dabi spielt auch sein exzellentes Englisch natürlich eine wichtig Rolle.

Ich weiß nicht, ob sein Amtsvorgänger Olaf Scholz zu der Runde eingeladen worden wäre, hätte sie schon im vergangenen Jahr stattgefunden. Scholz? Kennen Sie nicht? Vergessen? Das war der Mann, der bei Staatsbesuchen aus dem Regierungsflieger ausstieg, als wär er der Leiter vom Gewerbeamt in Barmbeck-Uhlenhost, mit offenem Hemdkragen und Ledertäschchen. Hätten Sie sich den Mann wirklich lieber gestern am Tisch im Weißen Haus gewünscht als Friedrich Merz? Ich ganz sicher nicht.

Wäre bloß schön, wenn er im Bundestag auf Fragen von Frau von Storch klüger antwortet als zuletzt. Gestern im Weißen Haus erlaubte er sich als einziger Teilnehmer am Tisch sogar offene Widerworte gegen den Gastgeber (beim Waffenstillstand). Auch das ist Zeichen eines langsam wieder wachsenden Selbstbewusstseins Deutschlands.

Allerdings ist das alles nichts wert, wenn dann nicht geliefert wird

Zum Beispiel bei der Sicherheitsgarantie für die Ukraine. Vollmundig fordern, und dann aber selbst nicht liefern wollen – das funktioniert nicht, wenn man einer der Anführer Europas sein will.

Zu erwarten, dass Briten und Franzosen Soldaten zur Friedenssicherung in die Ukraine schicken, selbst aber durch Herrn Wadphul zeitglich mitzuteilen, Deutschland sei – leider, leider – nicht in der Lage, dafür Soldaten breitzustellen, ist sehr, sehr schlecht

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.