Lügen, Klagen, anonyme Briefe: Die WerteUnion steht vor einer finalen Zerreißprobe

Liebe Leserinnen und Leser,

als Journalist, der seinen Beruf ernstnimmt, kommen Sie immer mal wieder an einen Punkt, wo sie das, was sie an Informationen zu einem Thema bekommen haben, eigentlich gar nicht aufschreiben möchten.

Und so ein Tag ist heute. Es geht um etwas, das für einen bürgerlichen Konservativen von Anfang an ein überaus spannendes Projekt war, und das heute dramatisch zu scheitern droht. Es geht um die WerteUnion, die konservative Partei, die sich 2024 anschickte, die Repräsentationslücke zwischen der Union, die noch immer nicht bereit für eine echte Politikwende zu sein scheint und einer nach rechts abdriftenden AfD, die zwar beindruckende Wahlerfolge einfährt aber allein wegen ihrer Russland-Politik noch lange nicht wird mitmachn dürfen, wenn es um die Ausübung echter politischer Macht in Deutschland geht.

Und so war es folgerichtig, dass honorige Persönlichkeiten schon ab 2013 in Berliner Hinterzimmern zusammenkamen, um zu checken, was möglich ist. Sie alle kennen die Namen: Hans-Georg Maaßen, sieben Jahre lang erfolgreicher Chef einer wichtigen Bundesbehörde, Markus Krall, Diplom-Volkswirt und Autor mehrerer Bestseller, die streitbare libertäre Bundestagsabgeordnete Joana Cotar und weitere Bundestagsabgeordnete, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach, Chef der deutschen Bundesmarine – wirklich eine Liste von Persönlichkeiten, die sich sehen lassen konnte.

Doch schon im Januar 2024 waren einige der Genannten tief zerstritten über den richtigen Weg und die Frage, wer die Führung des kühnen Unternehmens haben sollte. Maaßen gab den Ton an und preschte mit seiner WerteUnion voran, das eigentlich befreundete Bündnis Deutschland musste traurig zusehen, was viel böses Blut verursachte bei denen, die nicht gefragt, ja nicht einmal informiert worden waren.

Und so kandidierten dann zwei konservative Kleinparteien in Konkurrenz bei Landtagswahlen und Bundestagswahl, ohne den erhofften Überraschungserfolg auch nur in Sichtweite zu haben. So weit, so schlecht.

Aber auch noch kein Beinbruch

Einige gingen, andere kamen hinzu, politische Schwergewichte, die sich HGM, wie Maaßen überall genannt wird, anschlossen. Der frühere AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen zum Beispiel, Sylvia Pantel, die für die CDU zweimal ihren Wahlkreis in Düsseldorf direkt gewann. Politisch Profis zweifellos, mit allen Wassern gewaschen, auch wenn es um politische Machtspiele geht.

Nun herrscht Streit überall

Es würde hier den Rahmen sprengen, einfach nur aufzulisten, was es an gegenseitigen Vorwürfen zwischen den Beteiligten gibt. Geheimpapiere kursieren, Schiedsgerichtsverfahren laufen, Strafanzeigen und Zivilklagen sind in Vorbereitung und keiner lässt ein gutes Haar an den Exponenten der Gegenseite. Der Vollständigkeit halber soll nicht unerwähnt bleiben, dass es knallharten Streit in der Partei WerteUnion gibt, aber auch im Förderverein WerteUnion, der ursprünglich die Basis des ganzen war.
Die Gründe des Streits hier und dort sind unterschiedlich, aber in beiden Organisationen geht es rund, wird um die Macht und die zukünftige Ausrichtung gekämpft, und sowohl im Verein als auch in der Partei wird Hans-Georg Maaßen massiv angeschossen.

„Eine wirklich gute Idee“, so beschreibt Jürgen Rappert die WerteUnion. Der stellvertretende Bundesvorsitzende wurde vom Vorsitzenden HGM beauftragt, den offenen Vorwürfen gegen seine Vize-Kollegin Sylvia Pantel nachzugehen. Und andere sollen folgen. Er habe niemals für möglich gehalten, dass in einer bürgerlich-konservativen Partei „so machtbesessene Charaktere“ am Werk seien könnten, sagt mir Rappert gestern am Telefon. Und erzählt von Bundesvorstandssitzungen, wo man sich munter beleidigt und Schimpfworte fallen aus Gründen der „Ego-Verwirklichung“. Es gebe in der Partei inzwischen ein „Amigo-System“ und er hab jetzt den Auftrag, den Vorwürfen auf den Grund zu gehen, die sich gegen Sylvia Pantel richten, und die massiv sind. Da spielen anonym Briefe eine Rolle, die lanciert worden sein sollen, um die Ehe eines einflussreichen Protagonisten der Partei zu erschüttern. Da geht s um einen Auftrag für Kinowerbung über 24.000 Euro, der nicht rechtmäßig zustande gekommen sein soll. Da geht es um Werbemittelbestellungen in China und die Frage, ob dabei Geld der Partei „umgeleitet“ wurden.

Sylvia Pantel weist die Vorwürfe energisch zurück, als ich sie am Abend kurz vor einer Videokonferenz erreiche. An den gegen sie erhobenen Vorwürfen sei nichts dran, versichert sie und sagt: „Ich kann beweisen, dass die mir zur Last gelegten Vorwürfe völlig aus der Luft gegriffen“ seien. „Da sind Überweisungen erfolgt, aber nicht von mir oder auf meine Veranlassung hin“, sagt sie. Es lägen auch Eidesstattliche Erklärungen vor von Mitgliedern, die ihre Version des Streits stützten. „Ich habe das damals alles für bare Münze genommen, was Hans-Georg mir und anderen erzählt hat“, versichert sie. Heute hab sie den Eindruck, dass ihr Vorsitzender gar keinen Erfolg der WerteUnion mehr wolle. „Steht er noch hinter unseren Zielen? Ich glaube das nicht mehr…“

Am späten Abend trifft dann noch der Mitgliederrundbrief des größten Landesverbands Nordrhein-Westfalen per Mail ein. Der einst von der Vorsitzenden Sylvia Pantel und einer Mehrheit abgewählte Landesvorstand ist nun wieder im Amt, weil es Verfahrensfehler bei der Einladung gegeben haben soll und wohl auch hat. Nun werde man am Nikolaustag 6. Dezember einen außerordentlichen Landesparteitag einberufen, um die Dinge, „die in Unordnung geraten sind“ zu bereinigen.

Unterdessen freuen sich die Mitglieder des WerteUnion-Fördervereins auf ihre Bundesversammlung am 4. Oktober im schönen Weimar. Mehrfach hab ich schon Kurzvideos über angebliche Verfehlungen, die man Hans-Georg Maaßen zur Last legt, erhalten.

Und so weiter, und so weiter. Ich könnte jeden Tag weiter über dies und das schreiben, nur ob all das – erklärtes Ziel der WerteUnion – Deutschland wieder in die Spur bringt? Ich habe da Zweifel.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.