Mit der Stoppuhr vor dem Fernseher: Warum Merz unbedingt was falsch machen muss, egal, irgendwas….

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser!

Es ist schon seit längerer Zeit ein Trend zu beobachten, nach dem ein Teil des bürgerlich-konservativen und rechten Milieus in Deutschland im Wesentlichen nur noch das medial aufnimmt, was den eigenen Überzeugungen und Vermutungen entspricht.

So gab und gibt es gute Gründe für uns alle, dem Mainstream zu misstrauen, insbesondere die öffentlich-rechtlichen Staatsfunk. Wenn Sie daran zweifeln, dann lesen Sie das gerade aktuell erschienene Buch „inside Tagesschau“ vom früheren ARD-Redakteur Alexander Teske. Da steht alles drin, was Sie wissen müssen.

Und so war es folgerichtig, dass in den vergangenen zehn Jahren auch in Deutschland mehr und mehr alternative Medien gegründet wurden und eine hohe Resonanz und Akzeptanz in der Bevölkerung gefunden haben. Alternative Medien – das halte ich übrigens für den falschen Begriff. Freie Medien – das trifft es besser. Wenn, ja wenn es nicht inzwischen auch viele unseriöse Anbieter geben würde, geschmierte Journalisten und Medienunternehmen, finanziert von NGOs, Parteien und den Propagandazentralen unfreundlicher Staaten.

Schauen Sie sich an, was es da für reichweitenstarke Portale gibt, die niemand kennt, die aus dem Nichts auftauchen und plötzlich die sensationellen, welterschütternden Geheiminformationen aus den Machtzentralen zu besitzen scheinen! Das gaukeln sie uns jedenfalls vor, und ein Teil des Publikums – besonders in den sozialen Netzwerken – springt völlig kritiklos über jedes Stöckchen, das man ihnen hinhält. Hauptsache, es entspricht der eigenen gewünschten Erwartungshaltung.

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Völlig abstrus wird es immer, wenn „Enthüllungsgeschichten“ über den Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, rausgehauen werden. Schwarze Konten sind da ja noch das Harmloseste, da wird munter phantasiert von Casino-Käufen, Seidenwäsche, Scheinfirmen. Ich muss schon immer lachen, wenn ich sehe, was jetzt wieder über Selenskyj enthüllt wurde. Sie wissen als Stammleser, dass ich und wir immer mal wieder solchen Geschichten nachgehen und recherchieren.

Recherchieren liebe Kinder! Das haben Journalisten früher regelmäßig getan

Ein schönes Beispiel fand sich gestern wieder in den asozialen Netzwerken, als für viele schon vorher feststand, dass Bundeskanzler Friedrich Merz beim Antrittsbesuch im Weißen Haus grandios abgewatscht werden würde. Ein Teil des Publikums will ihn unbedingt scheitern sehen aus verschmähter Liebe für die einstige goldene CDU, die unter Merkel eine schreckliche Metamorphose durchgemacht hat. Merz MUSS scheitern, unbedingt, damit man sich selbst bestätigt und zufrieden in der eigenen Blase suhlen kann.

Trump werde den Mann aus Deutschland „grillen“, hatte ich oft gelesen in den Tagen vorher. Er werde ihn rausschmeißen, konfrontieren mit seinem Umgang mit der AfD und der Einschränkung der Meinungsfreiheit in Deutschland.

Aber all das passierte nicht. Der US-Präsident und sein Gast aus Deutschland verstanden sich augenscheinlich bestens, lobten sich gegenseitig, machten Scherzchen und bestätigten sich gegenseitig, wie wichtig unsere beiden Länder doch füreinander seien. Die Erwartungen der Merz-Hasser („BlackRocker“) wurden ganz und gar nicht erfüllt, Merz hat seinen Antrittsbesuch im Weißen Haus fehlerfrei und sogar teilweise mit Charme gemeistert.

Und weil dasso manchem Zeitgenossen nicht passt, legten sie dann direkt den Schalter um

Merz sei am Hauptstadt-Flughafen nur protokollarisch karg empfangen worden, als er am Mittwochabend in Washington landete, hieß es. Ich glaube den ersten Tweet dieser Art setzte der AfD-Europaabgeordnete Petr Bystron ab. Dann folgten viele andere ähnliche Wortmeldungen im Netz.

So, als wäre es üblich, dass jeder Staatsgast, der abends aus dem Flieger steigt, mit Tschingderassabum am Flughafen begrüßt würde, wie der Kölner das so wunderbar nennt. Man baut eine – unrealistische – Erwartungshaltung auf, und wenn die nicht erfüllt wird, dann war der Besuch halt schlecht.

„Jetzt ist Merz völlig durch“, schreibt einer auf Facebook nach dem Gespräch im Kaminzimmer des Weißen Hauses. Hä? Wieso? Ja, Trump hätte viel mehr geredet als der Gast aus Deutschland, der sozusagen nur ein Statist gewesen sei, heißt es. Wobei jeder weiß, dass dieses Inszenierungen Trumps mit Gästen am gleichen Ort jedes Mal nur einem Zweck gelten: der Selbstdarstellung des US-Präsidenten.

Und natürlich sind die amerikanischen Reporterkollegen eher am neuen Zerwürfnis Trumps mit Elon Musk interessiert als am deutschen Koalitions-Hickhack mit Frau Esken. Es war ein ganz normales Pressegespräch mit Trump und Merz, wie es diese Gespräche dauernd gibt. Und Trump wird natürlich immer deutlich häufiger gefragt als sein Gast, egal, wer da sitzt.

Die Fragerunde am Kamin habe nur 45 Minuten gedauert, wird dann vorgetragen, um die Bedeutungslosigkeit Deutschland und seines Bundeskanzlers zu belegen. Übrigens von den gleich Leuten, die sich einst immer wieder darüber mokierten, wie viele Minuten und Sekunden die Delegierten bei CDU-Parteitagen ihrer Vorsitzenden Merkels huldigten.

Das Gastgeschenk, eine gerahmte Geburtsurkunde des Opas von Trump, die Merz mitbrachte, habe er Donald Trump bereits 2017 geschenkt, verkündete Ex-BILD-Chef Kai Diekmann gestern auf X.

Wenn er das selbst schreibt, wird es stimmen.

Hätten die Mitarbeiter von Merz das wissen können oder sogar müssen? Kann man so sehen, aber wie stellen Sie sich das vor?
Vor dem Besuch beim amerikanischen Präsidenten geht Friedrich Merz in Arnsberg im Sauerland in den Geschenkeladen und kauft etwas für Donald? Vielleicht legt er ein Fläschchen Sauerländer Kräuterlikör bei? Oder warum soll der Auftritt von Merz wegen des Doppelgeschenks schlecht gewesen sein?

Übrigens haben sich Gastgeber und Gast nicht nur 45 Minuten getroffen, sondern davor ausführlich gesprochen und danach gemeinsam im Weißen Haus zu Abend gegessen. Eine Menge Zeit also, um sich auszutauschen.

Journalisten haben die Pflicht, die Wirklichkeit abzubilden. Sonst nichts! Keine Volkserziehung, kein Framing, keine Fake News, einfach schauen, was ist und dann darüber berichten.
Wir hier mit unserem kleinen Team und ich persönlich seit 41 Jahren nehme für mich in Anspruch, dass ich das tue. Einfach die Wirklichkeit abbilden, wie sie ist. Ob sie mir gefällt, ob ich meine Gesprächspartner mag oder nicht, was immer das nach Veröffentlichung dann für eine Wirkung hat. Einfach Journalismus. Und – ob Sie es hören wollen oder nicht – Friedrich Merz hat das gestern als deutscher Bundeskanzler im Weißen Haus sehr professionell und gut gemacht.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.