Potemkin lässt grüßen: Putins „Friedensgespräch“ im Kreml ohne Ergebnis abgebrochen

Gespräche in Moskau: Wladimir Putin und US-Gesandter Steve Witkoff

von KLAUS KELLE

BERLIN – Ich glaube ja, Russlands Präsident Wladimir Putin schaut sich abends vor dem Schlafengehen alte Videos aus der Zeit an, als die Sowjetunion noch mächtig und gefürchtet in aller Welt war. Sicher lässt er von seinem Geheimdienst auch Filmaufnahmen vom 12. Oktober 1960 suchen, als Obersowjet Nikita Chruschtschow angeblich mit einem Schuh aufs Rednerpult der Vereinten Nationen (UN) trommelte, weil er so wütend darüber war, was vorher ein philippinischer UN-Delegierter über sein Großreich gesagt hatte.

Sie all haben von dieser historischen Szene gehört, die sich aber wahrscheinlich gar nicht so zugetragen hat.

Also, ob Chruschtschow tatsächlich aufs Pult hämmerte mit seinem Schuh, ober ob er nur damit drohte, darüber streiten sich Wissenschaftler seit nunmehr 65 Jahren.

Aber lassen Sie uns die Szene mal einen Moment vor unserem geistigen Auge vorbeiziehen! Da steht der Anführer einer mächtigen Weltmacht mit Tausenden Atomsprengköpfen vor den politischen Vertretern der Weltgemeinschaft und zieht seinen Schuh aus, um damit drohend herumzufuchteln. Wie lächerlich ist das eigentlich?

So lächerlich, wie Putin selbst

Wenn, …ja wenn der Mann nicht den roten Knopf für 5.459 atomare Sprengköpfe hätte, von denen 1.718 einsatzbereit sein sollen, was – wenn wir ehrlich sind – für den russischen Staat eine beeindruckende Zahl wäre.
Sie kennen ja die Geschichte vom Potemkinschen Dorf. Der Legende nach war Fürst Grigori Potemkin im Jahr 1787 unterwegs mit der Zarin Katharina der Großen auf einer Reise durch die Krim. Dort wurden ihr nur prunkvolle Dorfanlagen gezeigt, um sie zu beeindrucken. Doch die beeindruckenden Gebäude überall waren nur Kulissen, die man vorher aufgestellt hatte. Manche ostdeutschen Landsleute werden sich noch erinnern, wie ganze Städte aufgemöbelt wurden, wenn ein Staatsbesucher anreiste.

Da wurden Blumenkästen aufgestellt, und graue Hausfassaden gestrichen und Straßen geflickt. Guter Eindruck ist alles. Überholen ohne einzuholen, Sie wissen schon.

Putin macht es Fürst Grigori nach. In meiner alten Heimat pflegte man zu formulieren „Große Fresse, nichts dahinter“, wenn man Drohungen von irgendwem nicht ernstnahm.

Das ist bei einer Atommacht natürlich nicht möglich

Der russische Präsident Wladimir Putin hat gestern ganz Europa mit einer schnellen Niederlage im Falle eines Krieges gedroht. „Wir haben nicht die Absicht, Krieg gegen Europa zu führen, aber wenn Europa dies will und damit beginnt, sind wir ab sofort bereit“, sagte der Kreml-Psychopath vor Journalisten, unmittelbar vor Beginn von „Friedensgesprächen“ mit den Vereinigten Staaten, repräsentiert durch Herrn Witkoff, der längst aus dem Amt hätte gejagt werden sollen, wegen seines Doppelspiels, und Jared Kushner, Trumps smarten Schwiegersohn.

Also Putin, der – wie uns Wagenknecht, Krone-Schmalz und Co. immer wieder versichern – will ja eigentlich nur Frieden. Und deshalb sagte er gestern auch noch so schöne Sätze wie, wenn es Krieg in Europa gäbe, würde es hier leider niemanden geben, mit dem man danach noch verhandeln könne.

Natürlich weiß er selbst, was für einen Schwachsinn er da redet

Schließlich hat er ja die Ukraine im Februar 2022 innerhalb von einer Woche auch nicht unterworfen, wie geplant. Man fand später bei gefangenen russischen Soldaten Paradeuniformen, die sie mitgebracht hatten, offenbar um triumphal durch Kiew zu paradieren.

Seit einem Jahr (!) versucht das russische Militär, die ukrainische Stadt Pokrowsk in der Oblast Donezk zu erobern. Gestern sei es ihr gelungen, teilte Kremlsprecher Dmitri Peskow mit. 60.000 Einwohner hatte Pokrowsk zu Beginn des Putin-Feldzuges, ist also etwa so groß wie die lippische Kreisstadt Detmold. Und inzwischen weitgehend zerstört, die meisten Einwohner sind längst vor dem Drohnenterror der Russen geflüchtet. Aber die Stadt gilt als strategisch wichtig und als ein Symbol für den ungebrochenen ukrainischen Widerstand gegen die Invasoren.

Pokrowsk ist noch nicht gefallen, aber alle Analysten sind sich einig, dass das nur eine Frage der Zeit ist. Lediglich im Norden der Stadt leisten ukrainische Verteidiger noch Widerstand.

Aber wir reden auch nicht von Russland gegen Ukraine, sondern von Russland gegen Pokrowsk. Und da relativieren sich die Dinge schnell, vor allem, wenn man weiß, dass ukrainische Einheiten nebenbei noch in der zentralrussischen Region Orjol mit Drohnen gerade eine Ölraffinerie in Brand gebombt und einen russischen Frachter auf dem Schwarzen Meer angegriffen haben.

Ach, übrigens, die „Friedensgespräche“ in Moskau vorhin sind inzwischen schon wieder beendet. Ohne Ergebnis, wie Kreml-Berater Juri Uschakow danach mitteilte. Aber alles sei „nützlich und konstruktiv“ gewesen. Na dann, herzlichen Glückwunsch!

Viele in Europa haben inzwischen begriffen, dass Putin überhaupt keinen Frieden will und Putin nur ein blasser Abklatsch früherer Sowjetführer ist.

Gestern Nachmittag hab ich eine interessante Zusammenfassung vorgetragen bekommen über die Fortschritte bei der Modernisierung und Aufrüstung der NATO-Staaten an der Ostflanke. Die Skandinavier, die Polen und Rumänien, und sogar Deutschland entwickeln sich erstaunlich gut. Europa kann und wird sich verteidigen, wenn es muss. Alleine, aber wahrscheinlich zusammen mit den Amis. Aber wenn wir gezwungen werden, dann wird es dieses Mal in Russland niemanden mehr geben, mit dem man Friedensverhandlungen führen könnte… Die NATO ist etwas anderes als Pokrowsk…

Bildquelle:

  • Putin_Witkoff: screenshot cnn

Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende

Jetzt spenden (per PayPal)

Jetzt abonnieren

Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.