Liebe Leserinnen und Leser,
regelmäßige Leser meiner Medien wissen, dass ich ein echter Österreich-Fan bin. Ein tolles Land, die Berge, das Essen und unglaublich freundliche Leute, die das aber gar nicht so meinen, wie der weltbekannte Schauspieler Christoph Waltz, ein Wiener, in einer US-Late-Night-Show letztens mal treffend formulierte.
Österreich, das Land des Blauen Zweigelt und des Grünen Veltliners, das Lans von Kaiserschmarrn mit Rosinen und Zwetschgenkompott , das Land von Tafelspitz und Wiener Schnitzel – herrlich, ich bin wirklich bei jeder sich bietenden Gelegenheit gern in Wien und Salzburg, um Menschen zu treffen und auch politische Diskussionen zu führen.
Aber wie beinah alles hat auch Österreich ein andere, eine sehr düstere Seite
Und dabei denke ich nicht nur an den Serienmörder Jack Unterweger oder den grausigen Josef Fritzl, sondern an die großen Wirtschaftskriminellen unserer Zeit. Ich denke an Jan Marsalek, einst Vorstand bei der Betrüger-Bank Wirecard, heute in Diensten des russischen Geheimdienstes, damals wahrscheinlich auch. Ein Wiener, na klar.
Markus Braun, Ex-CEO von Wirecard, weiter in Untersuchungshaft in München. Gebürtig, wen wundert’s, ein Wiener.
René Benko soll hier nicht unerwähnt bleiben. Ebenfalls in Untersuchungshaft, die Staatsanwalt ermittelt gegen den Immobilien-Investor wegen Insolvenzverschleppung, Betrug, Untreue, Geldwäsche, Korruption und Bilanzfälschung. Sie suchen Beweise und Zeugen in Deutschland, Italien und Liechtenstein, die Staatsanwaltschaften arbeiten grenzüberschreitend zusammen. René Benko – ein Österreicher, der wenigstens aus Innsbruck.
Ja, unsere sympathischen Nachbarn sind gut im Geschäft, wenn es um das Drehen ganz großer Räder geht, um Netzwerke in Politik, Wirtschaft und der Schattenwelt der Geheimdienste. Wien galt nach dem Zweiten Weltkrieg als die europäische Hauptstadt der Spione, später lief ihnen zu Zeiten des Kalten Krieges Berlin den Rang ab nach dem Mauerbau. Aber gut möglich, dass Wien inzwischen wieder vorne liegt.
Denn hier sehen russische Dienste eine Schwachstelle, um dauerhaft einen Fuß in die Tür der Europäischen Union in Westeuropa zu haben. In Ungarn und der Slowakei sitzen sie ja nach Meinung Vieler sowieso schon mit am Tisch.
Es würde hier den Rahmen sprengen, um alle Facetten von Jan Marsalek und seinen Aktivitäten zu erzählen. Und wohlgemerkt, wir kennen ja nur die, die irgendwann durch hartnäckige Recherche von Journalisten aufgedeckt wurden. Als Wirecard noch existierte und es auch beim österreichischen Nachrichtendienst konkrete Hinweise auf Marsalek gab, weigerte man sich lange Zeit, den Mann überhaupt genauer unter die Lupe zu nehmen. Oder Martin Weiss, ein Name, den kaum einer von Ihnen kennen dürfte, war hochrangiger Abteilungsleiter im österreichischen Verfassungsschutz und wurde von Jan Marsalek dort abgeworben.
Weiss arbeitete fortan für seinen Wirecard-Spezi, aber nicht für die Bank selbst, sondern in einer noblen Villa in der Prinzregentenstraße in München-Bogenhausen mit fünf Etagen für eine andere Marsalek-Firma – in unmittelbarer Nähe des russischen Generalkonsulats. Was praktisch war. Monatsmiete für das Haus, in dem Marsalek selbst zeitweise wohnte: 50.000 Euro.
Ach, es gäbe noch so viel zu erzählen über die Ösi-Connection und die Infiltration der Alpenrepublik durch russische Geheimdienste. Martin Weiss lebt übrigens heute in Dubai, da ist es schön warm, am Pool lässt sich ungestört Business machen – Immobiliengeschäfte, aber – wie Wiener Journalisten herausgefunden haben – soll auch zum Beispiel das Anwerben von Söldnern für die russische Wagner-Gruppe zu seinen Hobbies gehören.
So lustig, so deprimierend
Marsalek soll für den russischen FSB u. a. IT-Operationen gegen sein früheres Heimatland führen, heißt es. Der frühere Wirecard-Manager hat sensible IT-Technik an seine russischen Freunde geliefert. Das belegen Recherchen von ZDF „frontal“, „Der Spiegel“ und „Der Standard“. Geheime Chats enthüllen, wie der Mann europaweit Schaden angerichtet hat.
Wussten Sie eigentlich, dass bei der BaFin, also der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die alle Banken überwacht, damit alles nach Recht und Gesetz läuft, und die auch für die Kontrolle der Wirecard-Bank zuständig war, zahlreiche der Kontrolleure privat selbst Wirecard-Aktien besaßen? Kann man sich gar nicht ausdenken.
Und zu meinen Lieblingsgeschichten in diesem Jahr gehört, dass die russische Delegation im Oktober bei der UN-Konfrenz zur Cybersicherheit in Ho-Tschi-Minh-Stadt (Vietnam) besonders kopfstark vertreten war. Dabei wurde auch die UN-Vereinbarung zur Bekämpfung von Cyberkriminalität feierlich unterschrieben. Die internationale Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden im Kampf gegen die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien zu kriminellen Zwecken soll nämlich verbessert werden. Zusammen mit Russland, dem wahrscheinlich größten Ausgangspunkt von Cyberkriminalität überhaupt auf der Welt. Jetzt wissen Sie, was der Satz „jemandem vom Bock zum Gärtner machen“, praktisch bedeutet.
Aus Moskau reiste eigens Generalstaatsanwalt Alexander Guzan als Leiter der delegatsiya nach Vietnam an, um seine Signatur beizutragen und eine Botschaft von Massenmörder Wladimir Putin vorzulesen. Das ist so, als würde man Hannibal Lecter übers Wochenende ins Mädchenpensionat einladen.
Auf einem Panel mit dem Thema „Russland – ein Territorium der Innovationen“ wurden Informationen über innovative Entwicklungen im Bereich der Informationssicherheit, der Telekommunikation und der digitalen Technologien führender IT-Unternehmen der Welt vorgestellt. Außerdem Übungen zur Bekämpfung von Computerkriminalität und zur Beseitigung ihrer Folgen unter Beteiligung von mehr als 20 Teams aus verschiedenen Ländern veranstaltet.
Die Russen werden abends auf ihren Hotelzimmern vor Lachen kaum in den Schlaf gekommen sein angesichts der Doofheit der westlichen Welt. Vielleicht haben sie sich vom Zimmerservice eine Flasche Grünen Veltliner bringen lassen…
Bleiben Sie wachsam!
Ihr Klaus Kelle