Liebe Leserinnen und Leser,
Radikalität setzt sich am Ende des Tages niemals durch. Jedenfalls nicht, wenn man verändern aber nicht zerstören will. Ich meine, jeder, der sich irgendwann mal politisch engagiert hat, will doch eigene Überzeugungen durchsetzen. Grüne und Sozialisten ebenso wie Konservative, Linke genauso wie Rechte. Und ich frage mich, warum so viele Leute auch in Deutschland das nicht begreifen. Ist gar nicht so schwer.
Wie Sie wissen, habe ich als Publizist und Medienunternehmer in den vergangenen Jahren immer dafür geworben, mit der von Millionen Deutschen frei gewählten AfD fair umzugehen. Das sollte doch das Mindeste sein in einer demokratischen Gesellschaft. Natürlich gibt es bei jungen Parteien immer irgendwelche Querschläge und Quartalsirre, und wenn ich kurz nachdenke – die gibt es bei den Etablierten natürlich auch. Bei neuen Parteien gibt es die mehr, weil vielfach Leute reinkommen, die vorher schon mal versucht haben, mit an die Tische der Macht zu kommen und gescheitert sind. Sie hinterfragen dann nicht, warum sie gescheitert sind, sondern sie suchen sich ein neues Wirtstier für ihre Träume von einer besseren Welt oder auch von einem besseren Einkommen.
All das ist ganz normal
Bei den Grünen waren es Maoisten und „Stadtindianer“-Kommunen, die freien Sex mit Kindern propagierten. Bei der AfD sind es völkische Schwurbler und – in Enklaven Ostdeutschlands – sogar neuerdings wieder Fans des Sozialismus, wo man einfach nur „patriotisch“ davor schreibt. und dann ist alles gut. Bloß nicht diesen bösen, bösen Ami-Kapitalismus.
Können die alles machen, Demokratie und so. Aber, und damit komme ich zum Punkt, so wird das nix mit der Teilhabe an die Macht.
Angesichts der verhängnisvollen Politik dieser rot-grün-gelben Bundesregierung muss eine andere Politik her. Schnell und konsequent. Aber wie soll das funktionieren mit dieser kraftlosen CDU, die immer noch stärkste politische Kraft ist und – wie wir gerade in Berlin sehen – sogar wieder Wahlen gewinnen und Regierungen bilden kann?
Ich bin zutiefst überzeugt, dass eine andere Politik in Deutschland nur mit Einbeziehung der AfD möglich sein kann, die seit Wochen an der 20-Prozent-Marke kratzt bundesweit. Im Osten Deutschlands auch an den 30-Prozent-Grenze. Nur, was oftmals vergessen wird bei den Strategen der AfD: 30 Prozent Zustimmung bedeuten, dass 70 Prozent eben auch nicht zustimmen. Und die vielfach formulierte These in AfD-Kreisen, dass „die“ (Union) ja gar nicht anders können, als mit einer starken AfD zu kooperieren und zu koalieren, wird Tag für Tag wiederlegt.
Niemand arbeitet mit der AfD zusammen, da können Sie reden, soviel sie wollen. das ist ein Fakt. Und dass ist keineswegs nur die Schuld der AfD, das ist Verweigerungshaltung, das ist Zerstörungswillen, um der eigenen Macht- und Geldsicherung. Aber die AfD macht es den anderen Parteien eben auch einfach, sie schroff abzulehnen.
Andere rechte und konservative Parteien in Europa sind da klüger. Viel klüger. Und sie regieren nicht nur mit, sie führen sogar. Natürlich freue ich mich wie viele von Ihnen, wenn die Ungarn oder die Polen, der EU in Ullas sozialistische Suppe spucken. Aber wenn Europa Sanktionen gegen das kriegsführende Russland verhängt, dann stimmt Ungarn eben auch zu – und zwar ausnahmslos. Und wenn die baltischen Staaten aus Angst vor Putin um Schutz bitten, dann verlegt Ungarn eben auch Kampffllugzeuge ins Baltikum. Man muss immer wissen, wo man steht.
Und wir alle haben Freude daran, wenn in Schweden die Sozialisten abgewählt werden – und die rechten Schwedendemokraten eine entscheidende Rolle dabei spielen. Oder wenn Frau Meloni in Italien heute Mittag Pasta mit unserem Bundeskanzler ist und gemeinsame Interessen Italiens und Deutschlands voranzutreiben versuchen. Bundes-Olaf kommt dann mit Klimawandel um die Ecke und Frau Meloni hat ein paar Ideen zum Schutz der EU-Außengrenzen vor der Migrantenflut. Aber sie reden eben direkt miteinander, sie üben Macht aus. da gibt es nicht nur Schwarz und Weiß, da müssen Kompromisse her. Und Rechte und Linke, die Macht haben, können sich auf gemeinsame Ziele verständigen – sie müssen Kompromisse machen, klar. Aber sie entscheiden mit.
Und die AfD?
Sie will, dass Deutschland aus der EU austritt, statt aus der EU etwas Besseres zu machen. Sie wollen nicht mitgestalten, sie wollen Krawall. Oder denken Sie an Chrupallas peinlichen Auftritt neulich in der russischen Botschaft mit Krawatte in den russischen Landesfarben, während russische Söldner zeitgleich Teile der Ukraine in Schutt und Asche legen. Ich habe der AfD keine Ratschläge zu geben, sie sollen machen was sie wollen. Aber sie sollten bitte aufhören, herum zu jammern, weil niemand mit ihnen zusammenarbeiten will, so lange nicht einige grundlegende Dinge geklärt sind – wie das Verhältnis zur Europäischen Union.
Mit herzlichen Grüßen,
Ihr Klaus Kelle