Vor dem Machtverlust noch schnell für alle Lieben sorgen

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

was wie der Titel eines Agentenfilms klingt, ist in Deutschland Alltag, nämlich immer dann, wenn im Bund oder in Bundesländern ein Regierungswechsel greifbar wird. Dann läuft regelmäßig die „Operation Abendsonne“ an, ein Synonym dafür, noch schnell die Treuesten der Treuen in der Administration mit lukrativen Posten und Einkünften zu versorgen.

Als verantwortlicher Redakteur der BILD für die Landespolitik in NRW wurde ich 2004 von Essen in die Düsseldorfer Redaktion versetzt. Es war damals absehbar, dass die jahrzehntelange Herrschaft der Genossen – oft mit absoluten Mehrheiten – ein Ende nehmen könnte, und wir wollten genau draufschauen, was passiert. Natürlich wussten auch Rote und Grüne damals, dass es eng werden könnte im Frühjahr 2005. Zu schwach war die Performance von Peer Steinbrück (SPD) und seiner grünen Umweltministerin Bärbel Höhn („Die Hamsterkönigin“).

So begann auch hier am Rhein die „Operation Abendsonne“, und ich und wir hatten viel zu berichten, was da im Angesicht der bevorstehenden Wahlniederlage gegen Jürgen Rüttgers und seine damals noch bärenstarke CDU alles gemauschelt wurde. So wie jetzt in Berlin. Auch dort ist inzwischen bei allem zur Schau getragenen Zweckoptimismus der Herren Laschet und Söder klar, dass es das nach dem 26. September gewesen sein könnte mit dem sorglosen Regieren und dem Verteilen unserer Steuergelder aus dem großen Topf, in den wir alle einzahlen.

Die – wieder einmal – BILD berichtet heute darüber, was rund ums Regierungsviertel im Rahmen der OA geplant ist. Seit Anfang des Jahres – das ergab eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion – wurden 71 neue hochdotierte Stellen für Mitarbeiter der Administration verschiedener Minister geschaffen. Wenn die demnächst weg sind und ihr Geld durch Pensionen, mit Vorträgen und hochbezahlten Posten bei ihren Parteistiftungen in sonnigen Regionen der Erde verdienen werden, wird dafür gesorgt, dass auch ihre Ministerialen nicht Hunger leiden müssen.

CDU, CSU und SPD haben also 71 Beamtenstellen der Besoldungsgruppe B3 (8.762 Euro pro Monat zzgl. 400 € Mimisterzulage) und B6 (10.412 Euro zzgl.470 €) geschaffen. Wer einen dieser Jobs bekommt, hat bis zur Pensionierung nichts mehr zu leiden, und die Rentenansprüche steigen natürlich entsprechend mit.

Erstaunlich, aber eigentlich auch nicht wirklich: Die meisten der neuen Spitzenjobs hat Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mit 18 B-Stellen abgegriffen. Ausgerechnet Altmaier, der als Kanzleramtsminister vor Jahren öffentlichkeitswirkam vor „Beförderungsexzessen“ gewarnt und zur „Zurückhaltung“ gemahnt hatte. Jeweils elf Stellen gönnen sich Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU). Auch Lambrecht und Scholz (beide SPD) sowie Andreas Scheuer (CSU) sorgen für Ihre Lieben. Da soll noch einer sagen, Politiker nähmen es nicht ernst mit sozialer Verantwortung.

Der FDP-Fraktionsvize Christian Dürr sagte heute in der „BILD am Sonntag“ (BamS): „Während viele kleine Unternehmer nicht wissen, ob sie die Krise überstehen, werden in den Ministerien die Beamtensessel vergoldet. Das ist eine große Sauerei.“

Dem ist nichts hinzuzufügen, außer vielleicht die Frage: Was würden Sie sagen, wenn Sie demnächst in einer neuen Bundesregierung am Kabinettstisch Platz nehmen? Die nächste „Operation Abendsonne“ kommt bestimmt. Und meine Erfahrung in 35 Jahren als Journalist ist: Egal, welcher Partei diejenigen angehören, die Zugriff auf die Futtertröge haben, sie werden auf jeden Fall beherzt zugreifen, wenn die Stunde kommt.

Mit herzlichen Grüßen und besten Wünschen für Ihre neue Woche!

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.