Wie Russland derzeit die politische Agenda dominiert

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

an Russland kommt man geopolitisch nicht vorbei in diesen Zeiten. Kriegsherr Putin und seine Kreml-Entourage sind agil und ideenreich, wie der gesamte bräsige Westen seit vielen Jahren nicht mehr.

Man muss das leider feststellen, und denken Sie nicht, jetzt lasse sich auch der Kelle kaufen, wie so manch einer hierzulande. Putin ist ein Verbrecher, der nach über 75 Jahren wieder einen großen Krieg vor der Haustür Europas angefangen hat. Mehr als 200.000 Tote wurden seit Februar 2022 gezählt, Zehntausende Kleinkinder gegen den Willen ihrer Eltern nach Russland verschleppt, die Zerstörung materieller Werte, all die Verkrüppelten und vergewaltigten Frauen zählt niemand mehr.

Das nur mal vorweg

Aber, und jetzt komme ich zur professionellen Beurteilung: Die Russen haben eine Strategie und zwar nicht nur für die Ukraine, was man bei einem Angriffskrieg annehmen darf. Ich glaube, sie haben aus der Not eine Tugend gemacht, als sie festgestellt haben, dass das mit dem Blitzkrieg und Blitzsieg nichts wird.

Die Ukraine war auf den Tag X einer russischen Invasion vorbereitet, nachdem Amerikaner und Briten nach der Annexion der Krim Hilfe und Unterstützung angeboten und geleistet haben. Ein zügiger Durchmarsch mit einer zig Kilometer langen Panzerkolonne Richtung Kiew wurde zum militärischen Desaster für die Russen. Der Vormarsch stockt im Osten ebenso wie im Süden.

Vier Monate lang hatte die Atommacht Russland gebraucht, um die nicht allzu große Stadt Bachmut einzunehmen, die strategisch wichtig für die Russen ist. Tausende Soldaten sind nur in dieser einen Schlacht im Kampf gefallen – auf beiden Seiten. Und nun? Rücken ukrainische Verbände erneut in die Vororte der zerstörten Stadt vor. Warum das alles? Warum dieser selten überflüssige und dämliche Krieg?

Nach den umfangreichen Sanktionen des Westens, nach Einschränkung der Reisefreiheit für russische VIPs, nach Beschlagnahmung von Vermögen und Großyachten der reichen russischen Oberschichtler ist…nichts Gravierendes passiert. Russlands Armee hat sich eingegraben in den vier Separatistengebieten, die es leidlich unter Kontrolle hat. Sie halten ihre Linien, und…sie haben begonnen, umfangreich Wiederaufbau zum Beispiel in Donezk zu leisten.

Und das ist neu

Denn man wusste, dass sie im Zerstören, Töten und Vergewaltigen eine beachtliche Expertise haben, aber Wohnungs- und Straßenbau? In der Ukraine? Und das ist ja keineswegs alles.

Russland hat seine Wirtschaft stark auf den Rüstungskomplex umgestellt. Sie erhöhen ihre Goldreserven, sie unterlaufen den Öl-Preisdeckel der G7-Staaten mühelos.
Der Kollege Gabor Steingart hat heute Morgen im Magazin „Focus“ vorgerechnet, dass drei Viertel der russischen Öllieferungen deutlich über dem Deckel von 60 Dollar pro Barrel gehandelt werden, oft mit 100 Dollar.

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Russland mischt mit bei der Destabilisierung der Sahel-Zone in Afrika, stürzt demokratisch gewählte Staatschefs, sichert sich mit dem zivilen Teil der verbliebenen Söldner-Organisation Wagner den Zugriff auf Bodenschätze. Und mit der Brics-Runde organisiert man sich gegen den immer noch mächtigen Wirtschafts-Westen, denkt über eine eigene, globale Währung nach.

Von den großangelegten Geheimdienst-Operationen in verschiedenen EU-Staaten will ich hier gar nicht anfangen, von gekauften Abgeordneten, von Schwarzgeld-Wäsche und Hackerangriffen. Auch und besonders in Deutschland. Und Thomas Haldenwang soll das aufhalten? Na, herzlichen Glückwunsch!

Ja, der Westen ist immer noch stark. Wirtschaftlich ebenso wie militärisch. Aber haben Sie den Eindruck, dass es eine wirkliche Strategie gibt, dass die Bereitschaft, ja Entschlossenheit da ist, gemeinsam den Herausforderungen, Quatsch, dem Angriff auf vielen Gebieten entschlossen und mit Macht zu begegnen?

So wie die USA in den 90er Jahren unter ihrem herausragenden Präsidenten Ronald Reagan den Russen überall auf der Welt entschieden entgegentraten? In Nicaragua, in Angola…keine Fußbreit preisgeben.

Vor Jahren schickte mir ein Facebook-Freund ein Buch, in dem behauptet wird, mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des Warschauer Paktes haben man in Moskau begonnen, einen Plan zur Neuaufstellung zu entwickeln und einzuleiten.
Der sei auf Jahrzehnte angelegt und habe das Ziel, Russland wieder zu alter Größe und Dominanz in und über Europa zu verhelfen. Ich habe das Buch damals nicht gelesen, weil ich mich nicht mit Verschwörungsquatsch beschäftigen wollte. Aber vielleicht sollte ich zu Hause mal nachschauen, ob ich es noch finde…

Mit herzlichden Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.