Wir sind jetzt allein: Die politische Naivität der vergangenen Jahre muss endlich aufhören!

Wird weltweit gesucht: Der frühere Wirecard-Manager Jan Marsalek

von KLAUS KELLE

BERLIN – „Europa muss zur Kenntnis nehmen, dass wir allein sind“, lautete der Kernsatz in der Gesprächsrunde gestern Abend bei Caren Miosga. Ausgesprochen hatte ihn der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne), der einen langen Lebensweg vom linksextremen Revoluzzer über höchste Staatsämter bis zum Elder Statesman zurückgelegt hat, dem man – Helmut Schmidt gleich – einfach zuhört, wenn er etwas sagt.

„Ich hätte mir nicht erträumen können, dass ich mal im Öffentlich-Rechtlichen sitze und für Wehrpflicht eintrete“, sagte der einstige Wehrdienstverweigerer zum Beispiel. Ja, viele von uns hätten sich nicht träumen lassen, dass wir seit Jahrzehnten von einer politischen Führungsriege regiert wurden, in der viele die elementarsten Aufgaben eines Staates gar nicht mehr zu interessieren scheint. Nach dem Fall der Mauer, dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des Warschauer Paktes, haben wir alle gedacht, dass nun ewiger Frieden herrschen werde. Aber wir sehen, dass das eine trügerische und naive Hoffnung war.

Anything goes, alles geht, lautete die Devise der ach so modernen Politikerkaste. Statt zu fragen „Was ist richtig?“ lautete die Devise fortan: „Warum denn nicht?“

Atomkraft? Brauchen wir nicht, wir bauen jetzt Windräder.
Eine Armee? Warum, es gibt doch keine Feinde mehr.
Familie? Das können auch vier Insassen in einer JVA-Zelle sein, wo man „füreinander Verantwortung übernimmt“ (Grünen-Sprech).
Wirtschaftsflüchtlinge? Alles „Goldstücke“, die unser Land dringend brauchen kann und die so gut ausgebildet sind und fließend Deutsch sprechen.

Wenn man sich das heute einfach mal in Ruhe durch den Kopf gehen lässt…es ist der reine Wahnsinn, was wir alle, was die Mehrheit der Deutschen zugelassen hat. Und wie sie auch jetzt immer noch diejenigen wählen, die diese Gesellschaft nahe an den Abgrund gebracht haben.

Abgrund, das ist ein großes Wort

Ich meine damit nicht Untergang, nicht Verelendung, sondern wirtschaftlicher Abstieg. Verlust von Produktivität, Innovations-Unfähigkeit, erdrückende Bürokratie.

Und Wehrlosigkeit – für mich das Schlimmste überhaupt. Eine Gesellschaft, die nicht mehr fähig ist, sich seiner Feinde Innen und Außen zu erwehren.

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Genau darum ging es gestern Abend bei Joschka Fischer. Wenn Trumps Amerika seine Verbündeten auf dem alten Kontinent im Stich lässt, dann sind wir ganz allein. Und wir sind nicht darauf vorbereitet, während sich unsere Feinde wahrscheinlich schon seit vielen Jahren darauf vorbereiten, uns „zu testen“, wie die Militärstrategen im Fernsehen das neuerdings immer formulieren. Allein dieses „Wording“, diese Formulierung“, zeigt, dass sie es immer noch nicht begriffen haben.

Es geht nicht um „testen“, es geht darum, die alte Weltordnung, die sich nach 1945 weitgehend bewährt hat, auszuhebeln und zu ersetzen durch eine neue. Eine sehr unerfreuliche.

Was, wenn die USA und China einen „Deal“ machen, zusammen mit ihrem Handlanger in Moskau, vielleicht noch mit Indien?

Wer braucht dann noch Dänemark, die Slowakei oder…Deutschland?

Ich habe gestern bei Frau Miosga nur kurz hereingeschaut. Öffentlich-rechtliche Quasselrunden drücken auf meine Laune. Stattdessen habe ich mit hintereinander drei Dokumentationen auf YouTube angeschaut über den spektakulären Zusammenbruch des globalen Finanzdienstleisters „Wirecard“, über den flüchtigen früheren Top-Manager Jan Marsalek und seine Champagnerpartys in Singapur und sein Privatflugzeug. Ja, Österreicher können es krachen lassen.

Marsalek hatte am Tag der Pleite seines DAX-Konzerns noch bei einem Italiener in München gespeist, sich dann per Limousine zu einem Flugfeld nahe Wien bringen lassen und war im Learjet erst nach Minsk und kurz darauf weiter nach Moskau geflogen. Heute soll der smarte Mann, dem irgendwie 1,9 Milliarden Euro damals abhanden gekommen sind – genau genommen gab es die nur auf dem Papier – seinen Hauptsitz in Dubai haben und von dort aus für den russischen Geheimdienst FSB die Geschäfte der Söldnerbande Wagner in Afrika maßgeblich koordinieren. Das ist mal eine Karriere.

In irgendeinem Nebensatz in einer der Dokus gestern am späten Abend sagte einer der Journalisten sinngemäß in einem Halbsatz: Wurde Wirecard im Auftrag des FSB gegründet, um einen wichtigen Spieler im westlichen Finanzsystem aufzubauen und dauerhaft zu installieren? Wurden hier gewaltige Mengen schwarzes Geld aus russischen Quellen gewaschen? Wie hängt das alles zusammen zum Beispiel mit dem Fall Tengelmann und dem mysteriösen Verschwinden des einstigen Chefs Karl-Erivan Haub, der offenbar heute ungeniert am Stadtrand von Moskau lebt?

Alles Verschwörungstheorien? Nein, inzwischen ist die Beweislage erdrückend.

Bildquelle:

  • Fahndung_Jan_Marsalek_Wirecard: imago

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.