von KLAUS KELLE
BERLIN – Was macht man eigentlich, wenn man mal Regierungspartei, früher sogar führende politische Kraft in Deutschland war, und dann vom undankbaren Wahlvolk so richtig abgemeiert wurde? Erstmal Mund abwischen und weiter, oder?
Die SPD hat das gerade erlebt, vier Jahre davor die Union, die dann aber wenigstens für vier Jahre auf den harten Oppositionsbänken Platz nehmen musste.
Als die CDU beschloss, Armin Laschet müsse Kanzlerkandidat werden, war jedem klar, dass das nicht gutgehen kann. Sie machten es dennoch, alle Merkelianer und Karrieristen zusammen, die wussten, wenn Merz kommt, dann könnte die gute alte Merkel-Zeit abrupt enden. Erstmal endeten so die Kanzler-Ambitionen von Merz, aber nun – mit Verzögerung – hat er doch Platz genommen in der deutschen Regierungszentrale.
„Politik ist das Bohren von dicken Brettern“, hat der Soziologe Max Weber einmal gesagt, und damit hat er recht. Man muss die Nerven behalten und weitergehen, ohne nach rechts und links zu gucken, dann kann alles gut werden.
Wie bei Laschet und der CDU/CSU war auch klar, dass die SPD mit Scholz nach der Bundestagswahl im Februar auf keinen Fall wieder den Kanzler stellen wird. Er wolle „nicht verhehlen, wir hätten gerne weitergemacht“, bekannte Olaf Scholz gestern beim SPD-Bundesparteitag. Und weiter: „Es war eine große Zeit und wir haben für unser Land etwas bewegt.“ Ja, in der Tat, das haben er und seine Ampel-Koalition leider, die aus meiner Sicht die schlechteste Bundesregierung seit 1949 gewesen ist.
Und natürlich huldigten die 600 SPD-Delegierten Scholz mit Ovationen und Geschenken und salbungsvollen Worten im Berliner „CityCube“. Was sollen sie denn auch machen vor den Fernsehkameras? Genauso wie Laschet bei der Union ist Scholz jetzt bei den Genossen ganz persönlich verantwortlich für die krachende Wahlniederlage, die die Traditionspartei der früheren Kanzler Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder bei unterirdischen 16,4 Prozent landen ließ.
„Ich weiß, ich habe Fehler gemacht“, ruft Scholz den Parteifreunden zu, die wissen, dass seine Kanzlerschaft eine einzige Katastrophe war für seine Partei und für die Menschen in Deutschland. Aber: The Show must go on.
Lars Klingbeil ist der Nachlassverwalter, der die SPD zumindest wieder als Juniorpartner in die aktuelle Bundesregierung führte, und leider viel zu viel durchsetzen konnte bei den Koalitionsverhandlungen mit der Union. Einen echten Politikwechsel, den Deutschland so sehr braucht, wird es mit Klingbeil und dieser SPD nicht geben. Das ist sicher.
Und auch die sozialdemokratische Partei steckt in einer historischen Krise. Volkspartei? Das war einmal? Programm? Verstaubt! Reaktionsfähigkeit auf aktuelle Probleme? Zu gering! Verlässlichkeit im westlichen Bündnis? Wackelpudding.
Klingbeil, das war vor dem Parteitag klar, würde als „Watschenmann“ herhalten müssen. Wenn Sie den Begriff nicht kennen, der „Watschenmann“ war eine Kirmesbuden-Figur im Wiener Prater, der man eine Ohrfeige geben konnte und dann wurde die Wucht des Schlages gemessen.
So wie gestern auf dem Parteitag. Ganze 64,9 Prozent Ja-Stimmen fuhr Klingbeil ein, das schlechteste Ergebnis eines SPD-Parteichefs ohne Gegenkandidaten in der Geschichte der Partei. Das saß. Dabei hat Klingbeil persönlich bisher gar nicht schlecht performed, aber die ganze Wut und Enttäuschung musste bei vielen Genossen einfach mal raus. Auf dem Stimmzettel.
Lars Klingbeil, Politologe und Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung als Voraussetzung für höchste Staatsämter, ist jetzt am Ziel. Aber – wie wir Katholiken das sagen – er ist nur ein Papst des Übergangs. Wohin die Reise dauerhaft gehen wird, zeigte die Wahl der Co-Chefin. Bärbel Bas, Arbeits- und Sozialministerin, wurde mit 95 Prozent der Delegiertenstimmen zur Nummer 2 der Partei gewählt. Wir wissen nicht, ob Lars Klingbeil vergangene Nacht ruhig geschlafen hat.
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- Lars_Klingbeil_3_SPD: lars klingbeil