BERLIN – Die oppositionelle Union und die Ampel-Koalition wollen nach wochenlangem Ringen nun zusammen im Bundestag für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine stimmen.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte am Mittwoch im Bundestag: «Wir wollen gemeinsam mit den anderen Fraktionen die Entscheidung mittragen, dass schwere Waffen an die Ukraine geliefert werden. Das ist unser gemeinsamer Auftrag, um für Frieden in Europa zu sorgen.» SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, der sich wiederholt kritisch zu solchen Lieferungen geäußert hatte, schrieb an die SPD-Bundestagsabgeordneten, er habe mit Einverständnis der Koalitionsfraktionen in Gesprächen mit Unionsfraktionschef Friedrich Merz eine Einigung für einen gemeinsamen Antrag am Donnerstag erreicht.
Entkopplung vom Sondervermögen für die Bundeswehr
Die Unionsfraktion will damit ihren eigenen – weitergehenden – Antrag zurückziehen, nachdem noch Änderungen im Papier von SPD, Grünen und FDP erreicht wurden. Die Unionsfraktionsspitze hatte zuvor als Bedingung für ihre Zustimmung zu einem gemeinsamen Antrag eine Entkopplung vom geplanten 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr genannt. Das geplante Sondervermögen soll nach den Informationen aus Unionskreisen nun nur neutral erwähnt werden – dieser Punkt sei im Sinne der Unionsfraktion entschärft worden, hieß es weiter.
In der geeinten Fassung des Antrags heißt es demnach nun, der Bundestag fordere die Bundesregierung auf, «schnellstmöglich den Gesetzentwurf zur Einrichtung eines «Sondervermögens Bundeswehr» zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit und die damit verbundenen Investitionen umzusetzen». Herausgenommen würden aus dem Ampel-Entwurf nach diesen Informationen die Worte «im Sinne der Beschlussfassung des Bundeskabinetts», da die Union nicht mit den bisherigen Formulierungen des Kabinettsbeschlusses einverstanden ist.
Mögliche russische Reaktion: «Können nichts ausschließen»
Außenministerin Annalena Baerbock verteidigte die Entscheidung der Bundesregierung zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine – auch vor dem Hintergrund von Warnungen vor einer drohenden atomaren Eskalation. Welche Schritte Russland in dem Krieg noch gehe, liege allein im Ermessen von Präsident Wladimir Putin, sagte die Grünen-Politikerin im Bundestag auf die Frage, welche Rolle die Gefahr eines Atomkrieges bei der Entscheidung gespielt habe. Baerbock ergänzte: «Deswegen können wir auch nichts komplett ausschließen.»
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte am Dienstag die Lieferung von Flugabwehrpanzern Gepard aus Industriebeständen und die Ausbildung ukrainischer Soldaten auf deutschem Boden angekündigt. Die geplante Lieferung soll auch mit einer größeren Menge Munition ergänzt werden. Dazu laufen Gespräche mit Brasilien, das in früheren Jahren aus Deutschland Gepard-Munition erhalten hat. Demnach könnten auf diesem Weg bis zu 300.000 Schuss für bis zu 50 Gepard-Panzer beschafft werden.
Grundgesetz soll geändert werden
Bundesfinanzminister Christian Lindner (SPD) warb um Zustimmung der Opposition zum geplanten Sondervermögen für die bessere Ausstattung der Bundeswehr. «Es geht nicht um eine Militarisierung der Außenpolitik, aber um eines: Man muss kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen. Und deshalb muss die Bundeswehr ertüchtigt werden», sagte Lindner im Bundestag.
Die Einführung des Sondervermögens soll über eine Grundgesetzänderung sichergestellt werden. Die Koalition braucht für die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag auch die Union. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Aufrüstung der Bundeswehr Ende Februar als Konsequenz aus dem russischen Angriff auf die Ukraine angekündigt.
Verteidigungsministerin Lambrecht wies auf erhebliche Defizite in den Streitkräften hin. Als Reaktion auf den russischen Angriff in der Ukraine müsse Deutschland nun die eigene Wehrhaftigkeit stärken. «Wir haben zum Beispiel auf dem Papier 350 Schützenpanzer Puma, davon sind tatsächlich 150 einsatzbereit», sagte die SPD-Politikerin. Beim Kampfhubschrauber Tiger seien es 9 von 51. Allein für den Kauf von Munition müssten – um der Verantwortung in der Nato nachzukommen – 20 Milliarden Euro eingesetzt werden.
Die Unionsfraktion pocht als Bedingung für die Zustimmung zum geplanten 100-Milliarden-Sondervermögen auf einen dauerhaften Aufwuchs des Verteidigungshaushaltes. «Zeitenwende bedeutet keine Einmalzahlung an die Bundeswehr, sondern einen Dauerauftrag an unsere Verteidigungsfähigkeit», sagte Dobrindt. Man sei in guten Gesprächen darüber, ob man eine Einigung im Zusammenhang mit dem Sondervermögen erzielen könne, sagte Dobrindt. Das Ergebnis sei allerdings offen.
Bildquelle:
- Unionsfraktion: dpa