9. November – das zwiespältige Datum der deutschen Geschichte

Feiernde auf der Berliner Mauer am 9. Novemger 1989.

von KLAUS KELLE

BERLIN – Der 9. November wäre ein angemessener Feiertag, weil an diesem Tag im Jahr 1989 die Mauer fiel. Aber der 9. November kann eben kein Tag zum Feiern für uns Deutsche sein, weil an diesem Tag im Jahr 1938 die später so genannte „Reichsprogromnacht“ stattfand, in der SA-Sturmtrupps und Nazi-Horden überall im Deutschen Reich Synagogen anzündeten, und jüdische Geschäfte plünderten. „Reichskristallnacht“ wurde das dann genannt, weil die Straßen von zertrümmerten Glasscherben übersäht waren.

Nein, der 9. November ist nicht geeignet, Grillfeste zu veranstalten.

Mir wäre auch der 17. Juni als Tag der Deutschen Einheit recht gewesen, der Tag im Jahr 1953, als erst die Arbeiter in Ost-Berlin, dann in vielen Städten der DDR auf die Straße gingen. Anfangs als Protest gegen von der SED verordnete Normerhöhungen, dann wenige Stunden später als offener Protest gegen das Regime. Manche vergessen das gern in diesen Tagen und verklären den Blick zurück auf sonnige Nachmittage mit den Nachbarn auf der Datsche und Spreewaldgurken. Aber ich erlaube mir, immer mal wieder daran zu erinnern, dass das eine brutale sozialistische Diktatur war mit Stasi, Mauer und Todesschüssen. Natürlich kann man sich in einer Diktatur eine Nische suchen, in der man klarkommt, wenn man nicht gegen die Obrigkeit aufbegehrt. Das gab es auch unter Hitler, Sie kennen die Erzählungen unserer Großeltern von den BDM-Zeltlagern und Stadtparks, durch die Frauen nachts gefahrlos nach Hause laufen konnten.

Aber das ändert nichts am mörderischen Wesen einer solchen Diktatur

Und: Es waren übrigens russische Panzer, die am 17. Juni den Freiheitswillen der Ostdeutschen niederwalzten. In manchen Kreisen glaubt man ja inzwischen, Soros und Gates hätten dahintergesteckt.

Nun ist es also der 3. Oktober, als die Einheit vollzogen wurde. Und für mich ist der Tag zwar nicht optimal gewählt, aber ich habe meinen Frieden damit gemacht. Eher hadere ich damit, dass wir Deutschen immer noch unfähig sind, diesen Nationalfeiertag als Fest des ganzen Volkes zu feiern. Aber das ist ein anderes Thema.

Der 9. November 1989 war in meinem Journalistenleben das absolute Highlight und in meinem Leben als Person Klaus Kelle eines der absoluten Highlights.

Ich war damals mittendrin in dieser Nacht. Als Reporter des Berliner Privatsenders Hundert,6 – erst stundenlang mit Kopfhörer und Mikro an der Bernauer Straße, später am Checkpoint Charlie. Und als morgens die Sonne aufging an der Gedächtniskirche am Kurfürstendamm. Was für ein Wahnsinn, wie viele Menschen lagen sich in den Armen, wie viele weinten Tränen der Freude? Und wie viele Deutsche haben heute vergessen oder reden schlecht darüber, welches große Geschenk uns die mutigen Ostdeutschen gemacht haben, die in den Wochen davor aufbegehrten unter Gefahr für Leib und Leben.

Als ich irgendwann am Vormittag des 10. Novembers kurz schlafen ging, schloss ich die Augen in dem wunderbaren Gefühl, dass sich nun mein politisches Leitmotiv erfühlt hat. Die Einheit unseres Vaterlandes. Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass ich mich so irren konnte.

Bildquelle:

  • 9. November 1989_Mauerfall: thegermanz

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.