von KLAUS KELLE
BERLIN – Unübersehbar ist (endlich) Bewegung in die Sache gekommen. Die Sache, also der Ukraine-Krieg, tobt seit mehr als drei Jahren. Zerstörte Städte, Hunderttausende Tote, Hunderttausende Krüppel, vergewaltigte Frauen, von ihren ukrainischen Eltern nach Russland verschleppte Kleinkinder. Und wofür? Ach klar, Nazis bekämpfen, Sowjetunion wieder herstellen…oder so.
Mit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten hat das Thema eine neue Dynamik bekommen, denn der schillernde Typ im Oval Office hatte im Wahlkampf versprochen, er werde innerhalb von 24 Stunden nach Amtsantritt am 20. Januar den Krieg beendet haben.
Daraus ist nichts geworden, es war auch niemals eine realistische Option. Aber wenn sich am Donnerstag die Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Wladimir Putin wirklich in Istanbul persönlich treffen, um über eine sofortige Waffenruhe und einen belastbaren Frieden zu verhandeln beginnen, dann ist das unzweifelhaft ein Erfolg, der insbesondere mit Trump und seiner disruptiven Art von Politik zusammenhängt.
Zuckerbrot und Peitsche
Das scheint die Devise in der neuen amerikanischen Administration zu sein. Die Art und Weise, wie Trump und sein Vice Vance den ukrainischen Präsidenten am Kamin vor den Augen der Weltöffentlichkeit gedemütigt haben, das war allerunterste Schublade. Waffenhilfe und Zielkoordinaten verweigert, dann mit Seltenen Erden gedealt, danach alles weitergeliefert – kaum zu glauben, dass diese Art von Politik wirklich funktioniert.
Präsident Selenskyj hat seit Wochen einer Waffenruhe zugestimmt, wie sie Trump vorschlägt. Der einzige, der nicht mitmacht, ist der noch mächtige Mann im Kreml. All die linken und rechten Peaceniks müssten doch jetzt erkennen, wer auf der Bremse steht, wer weiter bombardieren und töten will. Aber sie halten an ihrem durch die Geschichte oft widerlegten Narrativ statt, man müsse nur „der Diplomatie“ den Vorzug geben, dann werde alles gut.
Am Wochenende gab es diese erstaunliche Reise der Regierungschefs aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Polen nach Kiew. Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz, so berichtete gestern Abend Kollege Paul Ronzheimer, der dabei war, habe einen entschlossenen und souveränen Eindruck dort gemacht. Es gab die gemeinsame Forderung, nun endlich mit dem Töten aufzuhören und Verhandlungen zu beginnen. Jetzt, sofort!
Und es gab die klare Ansage an Wladimir Putin, andernfalls weitere Waffenlieferungen an die Ukraine zu schicken und härtere Sanktionen gegen Moskau zu verhängen.
Erfreulich dabei: Das Vorgehen der wichtigen europäischen Partnerstaaten war offenbar mit den anderen EU-Staaten, aber im Detail auch mit Trump vorher abgestimmt, dem erkennbar die Lust an den Hinhaltespielchen Putins die Lust vergeht. Wer will schon vor der Weltöffentlichkeit als zahnloser Tiger dastehen, der sich von Putin am Nasenring durch die Manege ziehen lässt?
Ganz offenbar hat in den vergangenen Wochen wieder ein Schulterschluss zwischen Amerikanern und Europäern stattgefunden. Eine Rückbesinnung in Washington, dass die Europäer und auch Deutschland als Partner ganz hilfreich sein können in diesen wilden Zeiten.
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- Zentralbahnhof_Kiew_UKR: depositphotos / photovs