Im Stadtwald von Hannover verschwunden: Was passierte mit Inka Köntges (29)?

Privatfoto der vermissten Inka Köntges

HANNOVER – Frisch verheiratet, gerade zusammengezogen, intensives Beschäftigen mit ihrer Doktorarbeit. Und dann plötzlich weg. Einfach so, wie vom Erdboden verschluckt. Genau das ist mit der 29-jährigen Biologiestudentin Inka Köntges passiert am 10. August des Jahres 2000.

Am Morgen hatte sie die gemeinsame Wohnung in der Bronsartstraße im Hannoveraner Stadtteil List verlassen – so sagte ihr Mann, ein Physiker, den sie 1996 auf einem Uni-Fest in Oldenburg kennengelernt hatte. Mit dem Fahrrad wollte sie zur Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) fahren. Dafür radelte sie durch den Stadtwald, der größer ist als der Central Park in New York. Doch sie erreichte ihr Ziel nicht.

Erst sechs Wochen zuvor hatte sie ihren langjährigen Partner geheiratet. Der sagte aus, man habe noch zusammen gefrühstückt, und dann sei sie – etwa um 8 Uhr – gegangen. Wirklich? Denn ein Nachbar sagte später gegenüber der Polizei aus, er habe die junge Frau bereits um 7.30 Uhr wegfahren sehen. Was nicht zusammenpasst.

Ein anderer Zeuge, früher selbst Polizist, sagte aus, er habe Inka um etwa 8.45 Uhr auf der Schneckenbrücke gesehen, wo sie ihn angesprochen und nach dem kürzesten Weg zu MHH gefragt habe. Um ganz sicherzugehen, dass dieser Zeuge tatsächlich Inka Köntges getroffen hatte, legte man ihm Fotos verschiedener junger Frauen vor. Er konnte Köntges zweifelsfrei erkennen.

Nur: Wenn das also Inka Köntges war, die seit Monaten immer wieder mit dem Fahrrad zwischen Zuhause und der Universität pendelte – warum musste sie dann plötzlich einen Fremden nach dem Weg fragen?

Die junge Frau, die gläubig und aktiv in einer Baptisten-Gemeinde war, geriet immer mal wieder mit ihrem Ehemann aneinander, der nicht glaubt, erzählen gemeinsame Freunde später. Und am Abend ihres Verschwindens war Inga mit einer Freundin zu einem gemeinsamen Kinobesuch verabredet. Als diese Freundin den Ehemann anrief und fragte, wo Inga bleibe, war er zunächst wenig beunruhigt und sagte, seine Frau arbeite vermutlich wie oft noch länger in der Uni. Erst als Ingas Mann auch am späteren Abend noch nichts von ihr gehört hatte, wurde er unruhig und informierte dann spät in der Nacht die Polizei.

Wenn ein erwachsener Mensch in paar Stunden nicht nach Hause kommt, sind die Bemühungen der Polizei zunächst erstmal unaufgeregt. Denn oft erscheinen solche Menschen, die ein paar Stunden verschwunden waren, dann putzmunter mit irgendeiner Geschichte wieder Zuhause.

Doch Inka Köntges erschien nicht wieder Zuhause

Nie mehr. Die Uni-Leitung teilte mit, dass die junge Frau an diesem 10. August überhaupt nicht zur Arbeit erschienen war. In den Monaten zuvor stand die Frau, die neben der Arbeit für ihre Doktorarbeit auch noch einen Nebenjob hatte, unter starkem Stress, hatte Alpträume und suchte Hilfe bei einem Psychiater, der sie tatsächlich für drei Wochen krankschrieb.

Vier Tage nach Inkas Verschwinden begann die Polizei endlich mit einer großangelegten Suchaktion in Europas größtem innerstädtischen Waldgebiet – doch weder die Vermisste, noch andere Spuren wie Kleidungsstücke, auch nicht ihr auffälliges silbergraues Pegasus-Fahrrad, wurden gefunden.

Dann, zwei Wochen nach ihrem Verschwinden, geschah etwas Gruseliges.

Bei der Polizei trafen immer wieder anonyme Anrufe ein und eine Stimme flüsterte Sätze wie „Inka, ich hab sie umgebracht“ oder „Ich habe sie“. Wegen technischer Unzulänglichkeiten gelang es den Fahndern nicht, die Anrufe zurückzuverfolgen und den unbekannten Anrufer zu identifizieren – obwohl dieser ungefähr 500 Mal (!) angerufen hatte. Bis heute haben die Ermittler keine Ahnung, wer dieser Mann ist.

In den folgenden Jahren meldeten sich immer wieder interessante Zeugen, auch Bekannte aus ihrer Oldenburger Zeit. Dort hatte sie ihr Studium einst begonnen. Aber es blieb alles zu unkonkret, auch Hinweise, Inkas Verschwinden können mit ihrem Glauben zu tun haben. Oder es könnte einen Zusammenhang mit der Expo-Messe 2000 in Hannover und den vielen Besuchern aus aller Welt geben. Ob die tatsächlich morgens im Stadtwald von Hannover unterwegs gewesen sein könnten? Belege für diese abenteuerlichen Ideen ließen sich nicht finden.

Staatsanwaltschaft und Polizei stellten die Ermittlungen im Fall Köntges am 13. Juni 2002 ein. Inkas Mann zog die zuvor ausgeschriebene Belohnung für Hinweise von immerhin 20.000 DM zurück, ließ sich 2005 von ihr scheiden, änderte seinen Namen und heiratete eine andere Frau. Im Jahr 2012 – nach zehn Jahren – wurde Inka amtlich für tot erklärt. Aber niemand weiß, ob sie wirklich tot ist, ob sie Opfer eines Verbrechens wurde oder einfach untergetaucht ist.

Bildquelle:

  • Inka_Köntges: axtenzeichen xy

Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende

Jetzt spenden (per PayPal)

Jetzt abonnieren