ANALYSE Machtkampf in der AfD entschieden: Der Chefstratege heißt Gauland

«Beim Landesparteitag im April trete ich nicht mehr an», sagte Gauland. Foto: Ralf Hirschberger/Archiv

von ECKHARD MACKH

Der Pulverdampf des AfD-Parteitages ist verflogen – und die Führungsfrage der AfD scheint tatsächlich geklärt zu sein! Alexander Gauland hält nun alle Fäden in der Hand. Im Nachhinein schaut es so aus, als hätte es gar nicht anders kommen können. Und trotzdem sind viele überrascht.

Gauland ist ja bereits stellvertretender Bundessprecher, nun hat er sich selbst zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl wählen lassen. Damit ist er der natürliche Anführer einer zukünftigen Bundestagsfraktion. Zur Ergänzung hat er sich Alice Weidel ausgesucht, die in vieler Hinsicht eine auffallende Gestalt ist: Sie deckt unter anderem die neoliberalen Gründungsabsichten der AfD ab. Dabei konnte sie allerdings ihre Position offensichtlich nur Huckepack mit Gauland erlangen – in ihrem eigenen  Landesverband war sie bei der Kandidatur zu einem der beiden Landessprecher noch gescheitert.

Gauland nutzt damit die Gelegenheit, die sich aus der Pattsituation an der Spitze der AfD ergeben hat. Weil nur er sie nutzen kann und nicht, weil er den Ehrgeiz gehabt hätte, sich gegen andere mögliche Konstellationen durchzusetzen. Hätte Gauland die Situation nicht genutzt, wäre die Führungsfrage weiter ungeklärt geblieben.

Wie war es überhaupt zu dieser offenen Führungsfrage gekommen? Frauke Petry ist ja, obwohl nur eine von zwei gleichberechtigten Sprechern, das bekannte Gesicht der AfD und hat auffallende Vorzüge – vor allem den unschätzbaren Vorzug, Bürger nicht mit den üblichen Textbausteinen zu langweilen. Aber Frauke Petry scheint (bis jetzt) nicht ausreichend die Fähigkeit zu haben, sich ein Netz von Loyalitäten zu erarbeiten, wie es zur Parteiführung nötig ist. Die Verbindung mit Marcus Pretzell scheint dabei auch eher nicht hilfreich gewesen zu sein.

Den daraus entstandenen ständigen Führungsstreit konnte ein Björn Höcke immer wieder ausnutzen – was wohl noch mehr Bedeutung hat, als der Streit, der durch die unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten zu Höcke ausgelöst wurde.

Es ist nun bezeichnend, wie Frauke Petry mit dem „Zukunftsantrag“, mit dem sie in den Parteitag gegangen ist, die Absage an den Polit-Okkultismus von Björn Höcke und seinen Freunden zum einen mit einer eigenen Vertrauensfrage und dann auch noch mit der Absage an den Mitbewerber Gauland verbunden hat. Auf diese Weise hat sie exakt das Gegenteil des von ihr Gewünschten erreicht. Die ausschweifenden und unklaren (um nicht zu sagen: verlaberten) prinzipiellen Erwägungen, die wohl auch dazu dienen sollten, die Verquickung dieser verschiedenen Absichten zu verschleiern, scheinen dabei auch nicht hilfreich gewesen zu sein.

Nun ist die Rolle von Jörg Meuthen zu betrachten. Er scheint sehr stark davon angetrieben zu sein, sich an Frauke Petry für das Gedeon-Desaster zu rächen, und so konnte er es beim Parteitag nicht lassen, zum Abschluss seiner Rede die Delegierten zu unangemessenem Applaus einer inhaltlich und im Ton völlig unangemessenen Abrechnung mit Petrys Zukunftsantrag zu nutzen. Jeder kennt das, dass die Bereitschaft der hingerissenen Zuhörer zu applaudieren, dazu benutzt werden kann, sich die Zustimmung auch zu Botschaften zu holen, die für sich genommen weniger Anklang fänden.

Jörg Meuthen wird allerdings nicht in den Bundestag einziehen. Seine zukünftige Rolle scheint damit begrenzt und genau durch seinen Parteitagsauftritt vorgezeichnet zu sein: Als formal gleichrangiger Redner bei derartigen Versammlungen kann und wird er Frauke Petry dazu zwingen, ihre Rolle wieder stärker als Teil des Bundesvorstandes der AfD zu verstehen.

Gauland wird auf diese Weise handlungsfähig, weil Meuthen und Petry sich wechselseitig begrenzen.

Die Meisterleistung von Gauland besteht genau darin, dass er auf diese Weise aus den Gegebenheiten eine Konstruktion gefügt hat, die es ihm erlaubt, in Zukunft tatsächlich mit Frauke Petry gegen deren Willen zusammenwirken zu können. Petry wollte auf gar keinen Fall mit ihm zusammen eine Spitzenkandidaten-Formation bilden – nun ist Gauland Spitzenkandidat und Petry nicht.

Petry wird die Rolle spielen, die Gauland ihr zuweist. Bezeichnend war, dass Gauland die Demütigung Petrys durch Meuthen erfolgreich zu einem späteren Zeitpunkt relativiert hat. Und Gauland wird die Popularität, Lebendigkeit und Intelligenz von Petry gerne zum Nutzen der AfD einsetzen – ohne Gefahr für seine eigene Position.

Vielleicht wird das sogar für Frauke Petry die Chance sein, sich weiterzuentwickeln und sogar irgendwann Gauland wiederum zu beerben – sobald der das wünschte und zuließe (2021?).

So geht Führung! Nicht im Ausschalten der Mitbewerber, sondern darin, eine Konstellation zu schaffen, in der die Mitbewerber gleichzeitig selber zur Geltung kommen und ihre Kräfte in den Dienst des Anführers stellen. Es ist das Modell Seehofer und nicht das Modell Merkel.

Bildquelle:

  • Alexander Gauland: dpa

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