Liebe Leserinnen und Leser,
ich denke, dass es eng wird für Donald Trump. Ja, er führt in Umfragen das Kandidatenfeld seiner Republikaner weiter deutlich an, aber seine Gegenkandidaten verlieren zunehmend die Angst vor dem allmächtigen früheren Immobilen-Tycoon mit dem gewöhnungsbedürftigen Benehmen.
Die US-Justiz hat gegen den Ex-Präsidenten gestern in ihrer öffentlich bekannt gemachten Anklage schwerwiegende Vorwürfe erhoben. Insgesamt 35 Straftaten werden Trump zur Last gelegt. So werden ihm eine Verschwörung zur Behinderung der Ermittlungen und die gesetzeswidrige Aufbewahrung höchstsensibler Informationen, darunter Details zu nuklearen Fähigkeiten der USA und anderer Staaten sowie militärischer Notfallpläne der Vereinigten Staaten, vorgeworfen.
Das ist alles nicht mehr lustig
Wesentlich ist die Affäre um Trumps Umgang mit geheimen Regierungsdokumenten nach seinem Abschied aus dem Weißen Haus. Die Bundespolizei FBI hatte im August Trumps Privatanwesen Mar-a-Lago in Florida durchsucht und dort diverse Verschlusssachen beschlagnahmt, einige mit höchster Geheimhaltungsstufe. Weil der Republikaner die Unterlagen lange nach seinem Abschied aus dem Präsidentenamt in seinem Privathaus aufbewahrte, könnte er sich strafbar gemacht haben
Trump habe keine Befugnis gehabt, diese streng vertraulichen Unterlagen zuhause aufzubewahren, ja überhaupt nach dem
Abschied aus dem Amt noch zu besitzen. Die Verschlusssachen hätten unter anderem in seinem Schlafzimmer, einem Badezimmer, einer Dusche, einem Ballsaal und einem Lagerraum gelegen. Einige der Kisten mit Geheimdienstdokumenten seien zeitweise in einem Raum gelagert worden, in dem öffentliche Veranstaltungen stattfanden. Ein Lagerraum für Dokumente mit mehr als 80 Kisten sei über einen öffentlichen Pool-Bereich in Mar-a-Lago einfach zu erreichen gewesen.
Ich weiß, dass manche von Ihnen auch jetzt noch Trump vertrauen und auf sein Comeback hoffen. Denn seine Amtszeit hat er über weitere Strecken ordentlich gestaltet. Bis Corona brummte die Wirtschaft, die Aktienkurse stiegen, er ernannte viele konservative Richter für den Obersten Gerichtshof ebenso wie für nachgeordnete Kammern. Und einen Krieg hat er auch nicht begonnen. Not bad at all…
Aber ich habe kein gutes Gefühl mehr bei dem Mann. Unabhängig von seinen gelegentlichen Rüpeleien und seinem hohen Unterhaltungswert – wir reden hier nicht über die Wahl zum Vorsitzenden einer Laubenpieper-Kolonie. Der amerikanische Präsident ist militärisch, wirtschaftlich, technologisch der mächtigste Mann der Welt. Wollen wir, dass ein aufbrausender und jähzorniger Kerl den Atomkoffer mit den Abschusscodes im Schlafzimmer neben seinen Socken auf dem Teppich stehen hat? Ich nicht.
Ich war vor 40 Jahren das erste Mal in den Vereinigten Staaten und dann sehr oft dort. Beruflich, privat, politisch – ich liebe diesen unverwüstlichen Optimismus dort und die Idee eines „Land of the Free“. Ich stehe gern in den Häuserschluchten New Yorks und lasse unendliche Schlangen von „Yello Caps“ an mir vorbeiziehen. Einzigartig ist der Sonnenuntergang auf Key West am Strand mit einem Mojito in der Hand, im Cabrio unterwegs dort, während Glori estafan aus dem Radio singt, die Museumsmeile in D.C. und der Absackder irgendwo in der M-Street, die Verrückten in Las Vegas und San Francisco. Aber ich kann und will mir nicht vorstellen, dass diese Amerikaner Donald Trump noch einmal ins Weiße Haus wählen.
Mit herzlichen Grüßen, und God bless you,
Ihr Klaus Kelle