BakuGate im Bundestag: Ist die jetzt aufgeflogene Aserbaidschan-Connection der Union schon alles?

von KLAUS KELLE
BERLIN – Erfolgreich, weltlich, modern: So präsentiert sich das kleine Aserbaidschan selbst, und so will die frühere Sowjetrepublik mit nicht einmal zehn Millionen Einwohnern auch in Deutschland und anderen westlichen Ländern wahrgenommen werden. Ein muslimisch geprägter Staat, geografisch zwischen dem Kaspischen Meer und dem Kaukasus gelegen, der von einem Familienclan regiert wird und reich ist. Sehr reich. Und dieser Reichtum liegt in der Erde, denn dort gibt es große Öl- und Gasvorkommen. Im Jahr 1848 fand hier in Baku – und nicht im Nahen Osten oder Texas – die erste Ölbohrung auf unserem Planeten statt.
Die Ölfelder von Baku waren damals die größten der Welt, überholten schnell die US-Konkurrenz und deckten im Zweiten Weltkrieg drei Viertel des gesamten sowjetischen Ölbedarfs. Adolf Hitler wollte die Ölförderung in Aserbaidschan militärisch unter Kontrolle bringen, ließ Pläne zur Eroberung ausarbeiten, scheiterte damit aber letztlich bereits in der Hölle von Stalingrad.
Aserbaidschan ist modern und dennoch international wenig beliebt, weil der regierende Familienclan es mit den Menschenrechten nicht so genau nimmt. So wurden unabhängige Medien geschlossen und ihre Betreiber inhaftiert. Regierungskritiker landen häufig in Haft und amnesty international behauptet, dass es sebst hinter Gittern mysteriöse Todesfälle politischer Gefangener gegeben habe.
Doch Aserbaidschan hat auch eine andere Seite, eine ungewöhnliche für ein muslimisches Land, eine attraktive. Säkularisiert im kommunistischen Sowjetreich wird nur noch zehn Prozent der Bevölkerung als praktizierende Muslime eingeschätzt. Verhüllung von Frauen? Keine Spur, am Wochenede tummeln sich Schönheiten im Bikini an den Stränden des Kaspischen Meeres. Baku gilt als echter Hot Spot, eine pulsierende Metropole mit glitzerndem Nachleben und angesagten, auch international bekannten Clubs. Und Alkohol fließt da auch – in Strömen.
Im Jahr 1999 gab sich sogar der Mann mit der Doppel-Null hier die Ehre. James Bond, im Dienste ihrer Majestät, erschien in Gestalt von Pierce Brosnan und drehte hier den Film „Die Welt ist nicht genug“. Dabei brauste er mit einem BMW aus good old Germany durch das Land der 1000 Metallpumpen.
Sogar einen europöischen Schlagerwettbewerb durfte das Land ausrichten. Der 57. Eurovision Song Contest fand vom 22. bis 26. Mai 2012 in der Baku Crystal Hall in Baku statt. Das aserbaidschanische Gesangsduo Ell & Nikki hatte den europäischen Schlagerwettbewerb im Vorjahr gewonnen.
Eigentlich also ein faszinierender Staat, aufgebaut auf reichhaltigen Öl- und Gasvorräten, modern, cooler Lifestyle und internationalem Flair – was man wahrlich nicht von allen früheren Sowjetrepubliken behaupten kann.
Und was macht so ein Land, das um die Zuneigung der internationalen Staatengemeinschaft buhlt? Genau, es wird aktiv, es engagiert für viel Geld, das ja reichlich vorhanden ist, Agenturen und Berater. Und es kauft sich Einflußagenten, die manche auch „Abgeordnete“ nennen.
Fällt Ihnen auch auf, dass sich die Fälle häufen in den vergangenen Wochen?
Das unscheinbare Aserbaidschan steht jetzt häufig in der Zeitung. Gestern wieder, als auf einer Flugreise zurück aus dem Urlaub auf Kuba, die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz aus Mecklenburg-Vorpommern kollabierte und starb. Im Alter von 53 Jahren. Sie sei herzkrank gewesen, heißt es, und das ist absolut möglich. Aber sie war auch die vielleicht wichtigste Lobbyistin für das Land in Deutschland. Sie kommt übrigens aus dem Bundesland, in  dem Angela Merkel auch ihre ostdeutsche Heimat hatte und einst CDU-Landesvorsitzende war. Strenz zog 2009 direkt im Wahlkreis Parchim II gewählt in den Deutschen Bundestag ein. Erst 2019 verhängte der Bundestag eine Geldstrafe in Höhe von 20.000 Euro gegen Strenz, weil sie als Mitglied des Europarats in einen Skandal um 22.000 Euro Bestechungsgelder aus Aserbaidschan verwickelt war. Die Staatsanwaltschaft vermutete damals, das sie im Gegenzug dafür „pro-aserbaidschanisches Verhalten“ bei Abstimmungen im Parlament gezeigt habe. Karin Strenz stimmte etwa im Juni 2015 im Europarat gegen die Freilassung politischer Gefangener in Aserbaidschan – als einzige Deutsche. Sie nahm an einigen Delegationsreisen zur Wahlbeobachtung in dem Land teil, wobei – wie die Süddeutsche Zeitung bemerkte – ihr Urteil im Gegensatz zu anderen Delegierten stets unkritisch ausgefallen sei.
Alle Hintergründe dieser Geschichte wird die Öffentlichkeit nun wohl nie mehr erfahren. Karin Strenz blieb trotz der Korruptions-Ermittlungen weiter Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Im September 2021 wollte sie nicht mehr zur Wahl antreten. Was ein ewiges Geheimnis der Fraktionsführung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bleiben dürfte ist, warum die CDU-Politikerin nach dieser Vorgeschichte und all den Vorwürfen, von einem anderen Staat quasi „gekauft“ worden zu sein, bis zuletzt ordentliches Mitglied im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestags bleiben durfte. Vielleicht nehmen die es da insgesamt nicht mehr so ernst mit Landesverteidigung und Geheimhaltung. In Berlin werden immer wieder Namen auch anderer Abgeordneten genannt, die das ein oder andere vertrauliche Dokument aus genau diesem Verteidiungsausschuss mal anderswo in Berlin vorbeibringen.
Auch die gerade erst zurückgetretenen Bundestagsabgeordneten Mark Hauptmann (CDU) aus Weimar und Nikolas Löbel (CDU) aus Mannheim fielen schon vor Jahren mit pro-aserbaidschanischen Stellungnahmen auf. Hauptmann organisierte sogar „Wirtschaftsdialoge“ mit Baku und ließ Aserbaidschan in seiner Wahlkreiszeitung inserieren. Löbel ließ Veranstaltungen der Jungen Union (JU) mit Geld aus Aserbaidschan sponsorn. CDU-Wirtschaftsstaatsekretär Thomas Bareiß wird vorgeworfen, dem Land in der Corona-Krise zu Vorteilen verholfen zu haben, was in diesem konkreten Fall allerdings wenig überzeugend erscheint. Und dann ist da noch Eduard Lintner, von 1991 bis 1998 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesinnenminister. Medien nennen den CSU-Mann einen „Schlüssel-Lobbyisten“, der sein Büro mitten im Berliner Regierungsviertel habe. Lintner soll über verschiedene Firmen Millionenbeträge aus Baku erhalten und verteilt haben. Für „Beratertätigkeit“. Darunter dürften auch einige der genannten Politiker sein. Wie Karin Strenz musste auch Lintner fünfstellige Strafzahlungen an den Bundestag zahlen.

Handelt es sich bei BakuGate um eine reines Problem von „käuflichen“ Politikern der CDU und CSU? Das kann nach unseren umfangreichen Recherchen ausgeschlossen werden. Das Thema Aserbaidschan ist viel facettenreicher als bisher angenommen. Und manche bekannte Namen aus der Politik werden in diesem Zusammenhang genannt, die sprach-, ja atemlos machen.

Doch das ist eine andere Geschichte.

Bildquelle:

  • Baku_Aserbaidschan: pixabay

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.