Brics-Treffen: Es ist viel komplizierter als es scheint

Liebe Leserinnen und Leser,

in Johannesburg treffen sich ab heute die Staatschefs von Ländern, die in ihrer Selbstwahrnehmung wirtschaftliche Riesen und es leid sind, dass der Westen, die Vereinigten Staaten und die Europäische Union und ihre Verbündeten wie Japan oder Kanada, immer noch den Ton angeben, wenn es um die wirtschaftliche Entwicklung auf der Welt geht. Amerikahasser sehen in Brics die Alternative zur G7, der Gruppe der führenden westlichen Wirtschaftsnationen.

Eine eigene Bank haben die Brics-Strategen, eine eigene Leitwährung wollen sie schaffen, globaler Handel ohne den US-Dollar, den Russlands Putin als „Waffe“ des Westens sieht. Und gerade er hat ein Interesse, gleichberechtigt in einem eigenen starken Club präsent zu sein, denn der russische Rubel ist eine Trümmerwährung, die ich gern mit der früheren Ost-Mark vergleiche. Der Wechselkurs des Rubel gegenüber Dollar und Euro ist unterirdisch. Und dass sich Russlands Wirtschaft trotz der westlichen Sanktionen infolge seines Angriffskrieges gegen die Ukraine noch immer wacker schlägt, das ist einzig und allein der Unterstützung Chinas zu verdanken.

Denn China ist der große Gegenspieler, der den Westen herausfordert. China ist die perfekte Symbiose von Sozialismus und Kapitalismus. China ist klug, China erfindet und produziert, China hat eine globale Strategie, China ist die Militärmacht Nummer 2 auf dem Planeten. Russland ist dagegen wenig beeindruckend.

Russland hat Bodenschätze und Atomraketen. Ansonsten wäre es ein Entwicklungsland. Das, was im größten Land der Erde zufällig aus dem Boden kommt – Öl, Gas, Getreide – macht Russland zu einem globalen Mitspieler. Die Machthaber in Peking sehen Putin deshalb allenfalls als willfährigen Vasallen im Kampf der Systeme gegen den Westen, als Rohstofflieferanten. Aber als Partner auf Augenhöhe? Lächerlich.

Die Russische Föderation hat von allen Brics-Staaten das vermutlich größte Interesse an diesem Club. Die Botschaft von Johannesburg wird einzig und allein sein: Schaut mal, Putin hat mächtige Freunde in der Welt. Aber es ist keine Freundschaft, es ist die Zweckgemeinschaft derjenigen, die die amerikanische Dominanz brechen wollen – wenigstens die ökonomische.

Russland und China wollen die Brics-Gruppe erweitern. Moskau seinen Vasallenstaat Belarus reinnehmen. Pakistan soll auch kommen, Indien ist dagegen.
Das bevölkerungsreichste Land der Erde ist vielleicht das interessanteste Mitglied bei Brics, denn sie haben – wie sonst nur China – eine eigene Agenda: Indien zuerst!

Ebenso wie Südafrika will sich Indien nicht gegen den Westen positionieren. Man pflegt gute Beziehungen zu den USA, will allenfalls ausgleichend wirken und gute Geschäfte machen.

Ich könnte den Bogen hier noch weiter spannen, allein der afrikanische Kontinent wäre ein abendfüllendes Thema. Die Schlafmützigkeit des gesamten Westens inklusive der früheren Kolonialmacht Frankreich, die geschickte Einflussnahme Chinas über viele Jahre und jetzt neuerdings das brachiale Reingrätschen Russlands.

Die Welt formiert sich neu – so der Titel eines Panels am Wochenende bei der bürgerlichen Schwarm-Konferenz in Hessen, wo es genau auch um diese Themen gehen wird. Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, Gut und Böse. Die Grenzen sind lange verwischt, der Ausgang ist offen. Und wir, Deutschland, wir sind der Westen. Und das bleiben wir auch.

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.