Damals, als ich noch evangelisch war…

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser!

Echt witzig, gerade habe ich aus Zufall herausgefunden, dass ich heute vor 40 Jahren am Evangelischen Kirchentag in Hannover teilgenommen habe. Denn über den aktuellen, heute endenden Evangelischen Kirchentag in Nürnberg wollte ich sowieso für Sie schreiben.

Ich habe gute Erinnerungen an den Evangelischen Kirchentag 1983, an das Jahr überhaupt. Drei Monate zuvor war Bundeskanzler Helmut Kohl erstmals von den Wählern in Deutschland zum Bundeskanzler gewählt worden, und ich gehöre zu den Millionen Menschen, die damals dachten, jetzt gehe es richtig los mit der geistig-moralischen Wende. Das war ein echter Schuss in den Ofen.

Aber es waren damals Jahre der Selbstfindung für mich

Wie halte ich es persönlich mit dem Glauben an einen Gott? Wie ist das mit den Zehn Geboten, die als Ordnungsrahmen für unser Leben dienen können (und sollten)? Und wie ist das mit dem Sex vor der Ehe, auch nicht ganz unwichtig für einen 25-jährigen Mann mit fester Freundin. Nein, ehrlich gesagt war das gar kein Thema, wenn das Gespräch – selten genug – beim Bier mit Freunden auf den Tisch kam. Ich stamme aus einer weitgehend ungläubigen protestantischen Familie.

Manche von Ihnen wissen, dass ich in Ostwestfalen aufgewachsen bin, genau im kleinen Fürstentum Lippe, wo es echt schön ist. Man wird dort evangelisch getauft, evangelisch konfirmiert, evangelisch verheiratet und evangelisch beerdigt. Ansonsten kümmern sich die Meisten nicht sonderlich darum, dass sie evangelisch sind. Mit Ausnahme, und das muss und will ich hervorheben, der Freikirchlichen Gemeinden dort. Das sind ganz großartige Leute, tiefgläubig, und die, die ich kenne, ausgesprochen sympathisch. Dass ich viele Jahre später den miesesten und verlogensten Drecksack in meinem ganzen Leben ausgerechnet aus der evangelikalen Comunity kennenlernen musste, ist eine andere Geschichte. Aber solche widerwärtigen Gestalten, immer ein Halleluja auf den Lippen, immer fröhlich und gut gelaunt, gibt es natürlich auch anderswo in allen Kirchen und überall in der Gesellschaft. Nur bei dem Typen kam es halt für mich ziemlich überraschend.

Für mich war das Thema Kirche mit 14 durch

Ich wurde mit 14 Jahren konfirmiert, in unserem Dort Holzhausen-Sylbach, einem Stadtteil des damals noch boomenden Kurortes Bad Salzuflen. Unsere ganze Familie war evangelisch-reformiert, ohne dass es jemanden kümmerte. Wir gingen Heiligabend in den Gottesdienst, weil die Nachbarn das auch machten, und damit war das religiöse Leben der Kelles umfassend beschrieben.

1981 war ich aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Nach einer Zeit des Unmutes über unsere sehr linke Lippische Landeskirche, kam der konkrete Bruch, als sich ein evangelischer Pastor in Augustdort – wo ich meinen Wehrdienst leistete – weigerte, einen Soldaten und seine Frau zu trauen, der bei der Zeremonie seine Uniform tragen wollte. Das hat mich unglaublich empört damals. Und dann kam der neu gewählte Papst Johannes Paul II das erste Mal nach Deutschland. Und ich saß, als junger evangelischer Atheist atemlos im Wohnzimmer meiner Eltern vor dem Fernseher und schaute stundenlang die großen Messen.

Es dauerte noch drei Jahre mit Gesprächen mit Freunden, mit Gottesdiensten und Kirchentagen, mit Lernen und Gebet, dann war ich soweit und konvertierte zur Römisch-Katholischen Kirche in der Gemeinde St. Liebfrauen in Bad Salzuflen. Meine Eltern waren nicht dabei, obwohl ich sie natürlich eingeladen hatte. Man wechselt nicht die Kirche, und, was sollen die Nachbarn denken….?

Der Evangelische Kirchentag 1983 in Hannover war in meiner Erinnerung ein sehr schönes und inspirierendes Erlebnis. Ich erinnere mich noch gut an eine „Liturgische Nacht“ in einer alten, schönen Kirche. Wir saßen in dem überfüllten Gotteshaus auf dem Boden, es wurden meditative Texte gelesen, es wurde gesungen und gebetet, man reichte selbst gebackene Brote durch die Reihen, und jeder brach sich ein Stück davon ab. Bevor Sie mir wieder Mails schreiben – ich weiß, dass das etwas anderes als die Eucharistie ist! Es ging ums Teilen damals dort

Evangelische Kirchentage von heute sind rot-grüne Vorfeldveranstaltungen

Was ich darüber in den Zeitungen und Agenturmeldungen lese, stößt mich ab.

Ich bin nicht Christ geworden, um Vulven zu malen, Infostände der homosexuellen Hundezüchter zu besuchen und über Klimawandel und Feminismus zu reden. Ich will von Gott hören und von Jesus Christus. ich will mich persönlich weiterentwickeln und meinen Glauben leben und auch weitergeben. Und wer das nicht hören will – hey, freies Land, macht, was Ihr wollt! Auf dem Totenbett wird sich jeder mit der Frage beschäftigen (müssen), ob es demnächst woanders weitergeht. Seien Sie da ganz sicher!

Gesegneten Sonntag allen Lesern!

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.