Das eigene Heimatgefühl festhalten in Zeiten sozialer Netzwerke und Globalisierung

Gastbeitrag von DR. MARCUS OPTENDRENK, MdL

Wer heute durch unsere Innenstädte geht, der trifft auf unendlich viele Menschen, die mit elektronischen Medien beschäftigt sind. Der eine telefoniert mobil, der andere schickt gerade eine Nachricht, der dritte hört Musik auf dem iPhone. Wir sind in dieser modernen Welt des 21. Jahrhunderts unterwegs. Häufig den ganzen Tag. Wie schwer fällt es uns, das Handy einfach mal zu Hause zu lassen? Immer wollen wir erreichbar sein, können uns um den ganzen Globus vernetzen, in sozialen Netzwerken Kontakte knüpfen mit hunderten, tausenden Menschen – und in „Echtzeit“ mit ihnen kommunizieren. Vieles wird dadurch einfacher. Aber manches auch anstrengender, ja belastender. Wir fühlen uns durch diese besonders große Freiheit häufig auch – so paradox das ist – unfrei.

Deshalb ist es eine spannende, aber auch ausgesprochen lohnende Aufgabe, der Frage nachzugehen, wie wir auf diese neuen Medien, die neuen Freiheiten und Unfreiheiten, die Grenzenlosigkeit reagieren. Denn es ist im Gegenzug manchmal überraschend, dass die gleichen Menschen, die da mit ihrem Smartphone ständig aktiv sind, beispielsweise eine Schützenuniform anziehen, darüber in sozialen Netzwerken berichten, dass sie sich gemeinnützigen Hilfsorganisationen anschließen, sich gerade in Deutschland mehr als anderswo in Vereinen und Gruppen engagieren. Konkret lautet die Frage: Was bringt Menschen dazu, sich trotz aller Möglichkeiten der Globalisierung, der 24/7-Wirtschaft, von Internet und sozialen Medien noch in Vereinen und Bruderschaften zu organisieren und miteinander zu feiern?

Ist das nicht völlig aus der Zeit gefallen? Vielleicht ja, weil wir jeden Tag mit allen Ecken und Enden der Welt verbunden sein können. Aber wahrscheinlicher ist es genau das Gegenteil. Wir alle wissen, dass unser modernes Leben, unsere Technik und virtuelle Wirklichkeiten viele neue Chancen bieten, die frühere Generationen nicht hatten. Aber genau so sehr spüren wir alle, dass alle diese Lebenswirklichkeiten unser eigenes soziales Miteinander nicht ersetzen können. Ganz im Gegenteil: je grenzenloser diese Möglichkeiten, desto mehr suchen wir notwendigerweise nach Lebenssinn, Halt und Orientierung im eigenen persönlichen Umfeld: in der Familie, im Freundeskreis, in Sport- und Heimatvereinen, Bruderschaften und sozialen Institutionen.

Manche versuchen das damit zu erklären, dass wir uns in der globalisierten Welt zwar bewegen, sie aber naturgemäß anonymer, unsicherer und unübersichtlicher ist als eine Umgebung, die Halt und Grenzen bietet. Aber vielleicht ist die Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln und die eigene Heimat eben das sinnvolle und notwendige Gegengewicht zu dieser Globalisierung: wir werden uns des Wertes von menschlichem Miteinander, von Gemeinschaft, gemeinsamem Feiern und von Traditionen und Werten wieder bewusster, gerade weil sie nicht mehr überall selbstverständlich sind. Und das weder bei uns noch in anderen Teilen der Welt. Es ist eben nicht völlig antiquiert, in der Nachfolge vieler Generationen ein Schützenfest zu feiern. Es ist nicht unmodern, als Pfadfinder miteinander Traditionen und Gemeinschaft zu pflegen. Es ist nicht uncool, in Sportvereinen ehrenamtlich für jung und alt zu arbeiten, ob als Vereinsvorstand, Übungsleiter oder Begleiter von Mannschaften am Wochenende. Denn alle diese Aktivitäten stiften Identität und geben unserem eigenen Leben zusätzlichen Sinn und Lebensfreude, teilweise deutlich mehr als die virtuellen Verbindungen und Identitäten. Zumeist auch dauerhafter.

Wer beispielsweise seit Jahrzehnten jede Woche zum gemeinsamen Sport geht, der will sich meist nicht nur körperlich betätigen, sondern auch mit den anderen Sportlern gemeinsame Zeit verbringen. Daraus entstehen Freundschaften, das erhält Freundschaften, die ein Leben lang halten – und das häufig über die Zeit des eigentlichen Sporttreibens hinaus. Hier fühlen wir uns zu Hause. Das ist Teil unserer Heimat. Darauf wollen wir eben nicht verzichten.

Wie viele ehemalige Kegelklubs bestehen irgendwann als „Stammtische“ oder „Freundeskreise“ weiter. Das schafft die virtuelle Realität nur ausgesprochen selten. Auch wenn wir auf ihre Annehmlichkeiten weder verzichten wollen noch dauerhaft verzichten müssen. Denn es spricht ja nichts dagegen, sich per WhatsApp zum Abendessen im Freundeskreis zu verabreden. Und dann die neuesten Urlaubsberichte von Facebook-Freunden zu diskutieren. Aber eben nicht virtuell, sondern im vertrauten Umfeld der eigenen Heimat. Das zeigt: viele Menschen verbinden fast instinktiv Modernes und Bewährtes, Digitalisierung und soziales Leben miteinander. Sie lösen den Gegensatz auf. Heimat und Globalisierung gehören auf diese Weise sinnvoll zusammen.

Der Autor

Dr.Marcus Optendrenk ist stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion NRW

 

Bildquelle:

  • Heimat: pixabay

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