von THILO SCHNEIDER
WEZLAR – Ein Schäfer ist, wenn er ein guter Schäfer ist, immer bestrebt, dass seine Schäfchen kein Unbill erleiden. Ein guter Hirte, wenn es das auch noch mit Gottes Segen tut.
In diesem Sinne ist Joachim Schäfer ein wirklich guter Schäfer. Bewaffnet mit Mikrofon und Kamera macht er sich im Auftrag des Herrn – genauer gesagt, der „Katholischen Kirchengemeinde Unsere liebe Frau, Wetzlar“ – nicht nur als Pastoralreferent, sondern auch als Journalist auf die Suche nach Wölfen, die seinen Schäfchen gefährlich werden könnten. Es geht, wie es Sigmar „Erzengel“ Gabriel sagen würde, „dahin, wo es weh tut“.
Bekommen hat er dafür schon einen schönen Preis, 2022 wurde ihm die „Charlotte-Petersen-Medaille“ verliehen, ein Preis für „die Verdienste um die Verständigung zwischen Menschen“. Und für diese Verständigung geht Schäfer für seine „hessencam“ mittenrein, in die Gesichter der Menschen. Ob die das wollen oder nicht. Da kennt Joachim Schäfer weder Höflichkeit und keine Gnade. Denn: Es geht darum, finstere Rechte zu enttarnen, also die, die mit der derzeitigen Politik nicht einverstanden sind, die sich nicht haben impfen lassen, die weder grün noch links wählen. Die hat er als Feinde und als Gefahr ausgemacht!
Die „hessencam“ ist eigentlich ein Jugendprojekt der Katholischen Gemeinde in Wetzlar, aber den sich offensichtlich für jung geblieben haltende Anfangs- und geistige Alt-68sechziger ficht das nicht an: Tapfer zieht er los und fühlt sich wie der Lonesome Rider auf seiner einsamen Mission. Ob Menschen einer Veranstaltung unter sich bleiben wollen, interessiert den guten Schäfer nicht. So aufdringlich freundlich wie ein Versicherungsvertreter pirscht er sich an die ekligen Wölfe heran und versucht, Interviews zu erzwingen. In der Hoffnung, irgendeinen Kommentar zu bekommen, den er skandalisieren kann und ihn laut vor dem „Wolf“ warnen lassen.
Am vergangenen Wochenende war es beim „8. Treffen der Schwarmintelligenz“ wieder so weit. Joachim Schäfer machte sich auf in seine Jagdgründe, um die schrecklichen Wölfe, die seine Schäfchen bedrohen, zu jagen.
Er schnappte sich Besucher der Veranstaltung und musste zu seinem Entsetzen feststellen, dass da, es klingt unglaublich und entsetzlich, AfD-Mitglieder anwesenden waren. Gut, die Interviews, die er ergattert hat, waren weit davon weg, skandalös zu sein, aber so ein echter harter Journalist findet sein Setting immer. Zwei wirklich strunzdämliche Auto-Aufkleber an einer Seitenscheibe hat der Preisträger von Wetzlar gefilmt. So als „Beweis, wer sich da trifft“.
Kann man machen, hoffentlich hat er nicht lange suchen müssen – oder die Aufkleber selbst angebracht oder aus der Zweitverwertung gekramt. Man weiß es nicht und einem edlen Schäfer unterstellt man keine unlauteren Motive. Die haben immer nur die anderen. Außerdem heiligt oft der Zweck die Mittel bei solchen Leuten!
Natürlich hat Joachim Schäfer, getreu dem Motto seiner Medaille, keine Berührungsängste mit Radikalen – wenn sie nur links sind. Der LINKEN Lahn-Dill gibt er gerne lange Interviews und antwortet auf Fragen wie „Hast Du jemals mit dem Gedanken gespielt, auch mal selbst in die Politik zu gehen statt „nur“ von außen zu „meckern“?“ brav mit „natürlich habe ich auch schon mal überlegt bei den LINKEN Mitglied zu werden, weil ich dort vielen engagierten Menschenrechtler:innen begegnet bin“. Die gleichen „Menschenrechtler:innen“, die bis 1989 Menschen eingebuchtet oder von Mauern geschossen haben und deren Partei ein menschenverachtendes Regime errichtet haben – und wieder errichten würden, wenn man sie nur ließe.
4.700 Wolfswarnungsfilme hat der bienenfleißige Schäfer schon gedreht, nicht immer ganz „unumstritten“, was nicht weiter verwundert, wenn man die linksextreme Ecke kennt, mit der Joachim Schäfer wenigstens liebäugelt. Menschlich ist das sogar verständlich, wenn man weiß, dass seine Familie 2010 Opfer eines rechtsradikalen Brandanschlags wurde, dessen Urheber folgerichtig auch verurteilt wurden. Egal, was vorher war: Man zündet Leuten nicht die Häuser oder Autos an. Bürgerliche wissen das. Linksextreme und Antifa nicht. Rechtsextremisten auch nicht.
Seine Weltsicht fasst Joachim Schäfer selbst so zusammen: Meine persönliche Einschätzung ist Folgende: rund 50% der Querdenker*innen sind „PEGIDA-Leute“, damit meine ich Menschen, die von einer starken Unzufriedenheit, einem latenten Rassismus und einem immensen Sozialneid getrieben werden. … Was fast allen gemein ist, ist der Wunsch, dass der Staat „den Karren vor die Wand fährt“. Es herrscht eine eigenartige Schadenfreude über Misserfolge des eigenen Landes. Diese Denkweise, die mir völlig fremd ist, macht mir tatsächlich Angst, weil sie die parlamentarische Demokratie in Frage stellt. Hier setzt meine Kritik an. Am versuchten Reichstagssturm waren nur wenige aktiv beteiligt, aber ein großer Teil der Szene hat die Aktivist:innen gefeiert. In vielen Telegram-Gruppen sind die Umsturzfantasien zu finden. Das kann man nicht so stehen lassen und muss es sichtbar machen.“ Der „Reichstagssturm“, die Operette der Ampelregierung…
Und wenn es nicht sichtbar gemacht werden kann, dann muss man sich eben wie die berühmte „Axt im Walde“ benehmen. Irgendeiner wird dann schon wütend werden, der Schäfer wird zum Opferlamm und der junge Alte kann einmal mehr „seht her, ein Wolf:in, ein Wolf:in“ rufen…
Bildquelle:
- Joachim_Schäfer_Wetzlar: thegermanz