Der moderne EU-Bürger ist ein Untertan, dem die Kommission sagt, was richtig ist

ARCHIV - Flaggen der Europäischen Union wehen im Wind vor dem Berlaymont-Gebäude der Europäischen Kommission in Brüssel. Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa

Gastbeitrag von NORBERT KLEINWÄCHTER, MdB

BERLIN – Ein Leben in Frieden, Freiheit und Wohlstand: Das ist das Versprechen, mit dem die Europäische Union um Vertrauen und Vertiefung wirbt. Wahlweise Erasmus von Rotterdam, Robert Schuman oder Konrad Adenauer werden als intellektuelle Paten für ein Projekt herangezogen, das Mario Draghi und Angela Merkel bereits glaubten, retten zu müssen, „whatever it takes“. Scheitert der Euro, dann scheitert Europa. Scheitert diese EU, dann scheitern Frieden, Freiheit und Wohlstand; das zumindest lassen uns Regierungschefs und führende EU-Politiker immer wieder gern glauben.

Da man ja nie genug Frieden, Freiheit und Wohlstand haben kann, wirbt die Achse Berlin-Paris zusammen mit der von ihr inthronisierten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nun wieder für „mehr Europa“: Nachdem man schon Verordnungen hat, wie Äpfel wachsen, Spielzeug für Hausschweine gestaltet und Krankenwagen lackiert werden müssen, sollen nun die europäische Waffen- und Impfstoffbeschaffung, europäische Regeln zur Zensur von Meinungsäußerung im Internet, europäische Sozialpolitik und europäische Steuern her, um den Wohlstand aller zu sichern.

Gerade die nordischen Länder horchen bei Letzterem auf, ist man doch mit dem freiwilligen Verhandlungssystem der Tarifpartner stets viel besser gefahren als Frankreich mit seinem erzwungenen Mindestlohn, der nun europaweit durchgepeitscht werden soll. Und weil überall der Widerstand wächst – die Niederlande gegen die grotesken EU-Ausgaben, Ungarn gegen Drag-Queens in der Kita und Polen gegen die allgemeine EU-Besserwisserei –, soll nun auch das Einstimmigkeitsprinzip weichen. Egal was eine Regierung für ihr Land empfiehlt: Die EU kennt den richtigen Weg. Die „Zivilgesellschaft“ in Form linker NGOs weiß sie ja immerhin stets hinter sich.

Weil NGOs viel angenehmer sind als gewählte Abgeordnete oder echte Bürger, hat man sich für die Zukunft das Konzept der „partizipativen Demokratie“ ausgedacht. Von einer NGO ausgesuchte „zufällige“ Bürger, die ebenso zufällig meist NGO-Aktivisten sind, tagten in der „Konferenz zur Zukunft Europas“, die am 9. Mai ihre Schlussfolgerungen vorstellt. Gefordert wird nichts weniger als ein EU-Verfassungskonvent, um dieses „mehr Europa“ festzumeißeln. Am 3. Mai hat das sogenannte EU-Parlament beschlossen, dass es nicht mehr in den Mitgliedstaaten gewählt werden will. Transnationale Listen mit europäischen Parteien sollen das Bisherige ersetzen. Dann versteht der Bürger, der plötzlich Portugiesen, Slowaken und Litauer wählt, buchstäblich seinen eigenen Abgeordneten nicht mehr.

Das muss er ja auch gar nicht, denn der Idealbürger der Europäischen Union ist nicht der gebildete Bürger der Aufklärung, der Mut zum Denken hat und über seine Wahlrechte Souveränität ausübt. Der moderne EU-Bürger ist ein Untertan, dem die EU-Kommission sagt, was richtig ist. Die Welt ist so komplex geworden, dass die Kommission die Geschäfte gern übernimmt.

Was können einfache Bürger schon über die Impfung wissen? Wer sich weigert, der bekommt eben kein Zertifikat und wird aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Bologna erprobt ja bereits ein chinesisches Social Credit-System, angewandt auf eine europäische Stadt. Kritik wird schlicht als Hassrede verboten. Zu deutlich könnte jemand ja die katastrophale Politik der EU-Behörden beleuchten, zu deren größten Schandflecken der Euro gehört. Gegen den Rat vieler Wirtschaftsexperten eingeführt, hat er von Anfang an nicht funktioniert, weil der Währungsraum nicht zu den unterschiedlichen Wirtschaftsräumen passt. Während unproduktive Länder mit einer zu teuren Währung kämpfen, verlieren die Deutschen ihren Wohlstand und vor allem ihre Fachleute, weil die Währung zu billig ist und das Arbeiten sich kaum mehr lohnt. Seit nunmehr 14 Jahren „rettet“ die EZB nun den Euro mit grotesken Mengen gedruckten Geldes, um die drohende Staatspleite Italiens, Frankreichs und weiterer Südländer abzuwenden; doch die Inflation zahlt der Bürger. Wir alle werden nicht wohlhabender, sondern wir werden ärmer durch den Euro, eine dysfunktionale, weiche Währung mit nunmehr über sieben Prozent Inflation. Sie macht all diejenigen reicher, die hohe Sachanlagen haben. Doch junge Menschen, die ohne eigenes Vermögen in ihr Leben starten, können sich nie mehr Wohlstand erwirtschaften, egal wie hart sie arbeiten. Die EU war mit ihrer Politik von Anfang an auch ein Verrat an der jungen Generation.

Diese Konstruktion verhöhnt die Gründungsideale einer europäischen Zusammenarbeit. Die Gründungsväter wollten ein Europa der Vaterländer. Sie wollten ganz bewusst die Identifikation der Bürger mit ihren Nationen, in denen sie ihr Leben gestalten und auf demokratischem Wege die Zukunft des Landes bestimmen. Diese Vaterländer sollten in einer europäischen Gemeinschaft souveräner Staaten zum Wohle ihrer Bürger in all jenen Angelegenheiten zusammenwirken, die gemeinsam besser erledigt werden können. Der Wettbewerb zwischen den Nationen sollte nicht mehr destruktiv im Krieg, sondern konstruktiv im freundschaftlichen Wettstreit ausgetragen werden zum Nutzen aller: denn Wettbewerb schafft Innovation, und diese bringt uns den Fortschritt.

Ein solches Europa wäre möglich, wenn wir den Mut zu mehr Eigeninitiative, mehr Demokratie und mehr Souveränität haben. Wenn wir dort, wo es weh tut, das Problem lösen. Wenn wir den Menschen und Nationen die Freiheit geben, sich voneinander zu unterscheiden, und dies begrüßen. Weniger EU ist mehr Europa.

Erasmus von Rotterdam ist übrigens in der Schweiz begraben. Die ist nicht Teil der Europäischen Union. Die Inflation beträgt dort rund 2,5 Prozent, man verdient 70 Prozent mehr als in Deutschland, die Menschen besitzen fast dreimal so viel und sie stimmen bald in einer Volksabstimmung darüber ab, ob sie sich am EU-Projekt Frontex verstärkt beteiligen wollen. Frieden, Freiheit und Wohlstand scheinen besonders gut zu funktionieren, wenn man Demokratie und Souveränität pflegt, ohne sie an die EU abzutreten.

Norbert Kleinwächter ist 36 Jahre alt, stellvertretender Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion und einer der Europa-Experten seiner Fraktion. Er ist Mitglied in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung und gläubiger Katholik. Der studierte Gymnasiallehrer lebt seit 2013 in Wildau (Brandenburg) und ist verheiratet.

Bildquelle:

  • EU-Flaggen: dpa

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