DGB fordert eine Reform des Rentenwesens – natürlich auf Kosten der anderen

DR. PATRICK PETERS

Es ist Wahlkampfzeit, also geht es – alle Jahre wieder – unter anderem um die Rente, vielleicht die deutsche Erfindung überhaupt. Mitten im Sommer hat sich auch (wenig überraschend, wohlgemerkt) der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB zur Rentenfrage geäußert. In einem Interview mit der Düsseldorfer Tageszeitung „Rheinische Post“ hat Annelie Buntenbach, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Rentenversicherung und Mitglied des geschäftsführenden DGB-Bundesvorstands, die Positionen ihrer Gewerkschaft herausgestellt.

Das liest sich alles erst einmal gar nicht so schlecht. Es geht um ein stabiles Renteneintrittsalter, eine Rente, die auch ehemalige Gering- und Mittelverdiener nicht am Existenzrande herumsumpfen lässt und um einen langfristigen strukturellen Wandel des Rentensystems. Wohl niemand würde sagen, dass eine dieser drei Vorstellungen gegen Verstand und Sitte verstieße. Jeder soll auskömmlich auch im Ruhestand – ausgehend von seinem früheren Gehaltsniveau – leben können, vielleicht nicht unbedingt bis ins hohe Alter arbeiten müssen, und dass das aktuelle Rentensystem einen gewissen Reformstau besitzt, ist auch nicht von der Hand zu weisen.

Aber die Krux an der Sache ist freilich nicht die Idee an sich, sondern die geplante Umsetzung. Annelie Buntenbach macht überhaupt keinen Hehl daraus, wie aus Sicht des DGB die Sache finanziert werden soll: „Die Kosten des demografischen Wandels kann man nicht wegreformieren. Das schafft weder die gesetzliche Rente noch der Kapitalmarkt. Wir stehen aber doch jetzt vor einer Situation, in der der Beitrag zur gesetzlichen Rente in jedem Fall steigt. Wir können natürlich sagen: Wir lassen alles, wie es ist. Das hieße dann aber, dass der Beitrag steigt und das Rentenniveau trotzdem immer weiter sinkt. In dem Falle würde ich als junger Mensch auch irgendwann sagen, da mache ich nicht mehr mit. Genau deshalb sagen wir, das System muss attraktiv bleiben, und das geht nur über Leistungsanhebung. […] Warum können die Arbeitgeber nicht einen ähnlichen Beitrag übernehmen und alles geht in die Stärkung der gesetzliche Rente? Zudem kann und muss man auch den Bundeszuschuss erhöhen. Und Dinge wie die Angleichung der Ost- und Westrenten und die Mütterrente dürfen nicht mehr über Beiträge finanziert werden, sondern mit Steuermitteln.“ Und es wird noch besser: „Wir müssen wieder stärker darüber nachdenken, wen wir in den Schutz der Sozialversicherungen einbeziehen. Was ist mit den Selbstständigen, die nicht anderweitig abgesichert sind? Die sollten unbedingt rein. Wir müssen auch darüber reden, wie Auftraggeber mit in die Verantwortung genommen werden, damit Soloselbstständige nicht alles alleine schultern müssen.“

Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das DGB-Vorstandsmitglied, das nun wirklich keine Finanzierungssorgen im Ruhestand plagen wird, fordert ganz offen, dass die Wirtschaft und die Versicherten schlicht erheblich zahlen sollen. Arbeitgeber sollen noch stärker als bislang beteiligt werden, der Steuerzahler an sich soll Kosten für Finanzierung wirklich sinnvoller Maßnahmen wie „Angleichung der Ost- und Westrenten und die Mütterrente“ übernehmen, und selbst Selbstständige (zu denen in Buntenbachs Vorstellungswelt sicherlich auch Freiberufler wie Rechtsanwälte, Ärzte, Architekten etc. gehören sollen) und deren Auftraggeber (aus der Wirtschaft? Privatleute? beide Gruppen?) sollen in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen.

Das heißt konkret: Eine Anpassung des Rentensystems ist in jedem Falle mit erheblichen Belastungen für so gut wie alle Gruppen verbunden. Dass das als freudiges, faires Ereignis verkauft wird, ist klar. Aber man sollte es nicht vergessen, wenn man über diese Pläne nachdenkt. Denn es ist nicht so, als würden Wirtschaft und Steuerzahler in Deutschland zu wenig gefordert.

Bildquelle:

  • Rente_Alte: pixabay

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