Gastbeitrag von PROF. DR. WALTER KRÄMER
BERLIN – Ist irgendetwas zu der aktuellen, unter gendergerechter Sprache firmierenden Ideologenattacke auf die Schönheit, innere Struktur und Ausdruckskraft des Deutschen noch nicht geschrieben und gesagt? Dass Gendern hässlich macht, ist klar: „Der/die Inhaber*in wird gebeten…“. Kann man sich vorstellen, dass ein halbwegs mit Geschmack gesegneter Mensch dergleichen sagt und schreibt? Auch dass Gendern, anders als gewisse 40 Wall-Leuchten an deutschen Germanistikfakultäten gerne behaupten, die Regeln der deutschen Sprache mit den Füßen tritt, ist offenbar: „Wer mit Fakten zum Klima umginge, wie es die Genderstern-Aktivisten mit der Sprache tun, würde sofort als Wissenschaftsleugner diffamiert,“ schreiben Andreas Rödder und Kristina Schröder dieser Tage in der „Welt“.
Vergleichsweise wenig beachtet bleibt dabei, dass Genderaktivisten auch noch große Heuchler und Menschenquäler sind. So macht es die Gendersprache allen Migranten schwerer, Deutsch als Fremdsprache zu lernen. Und das erwarten wir schließlich zurecht von allen, die nach Deutschland kommen und hier bleiben wollen – dass Zuwanderer, um auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und den Gastgebern nicht zur Last zu fallen, zunächst einmal die deutsche Sprache lernen müssen, ist quer durch alle Parteien im Deutschen Bundestag Konsens.
Vor diese ohnehin schon anspruchsvolle Hürde baut die Gendersprache neue Hindernisse auf. So drücken etwa Partizipien wie „studierend“ oder „lehrend“ eine Gleichzeitigkeit der Handlung aus. Dass damit jetzt damit auch Personen gemeint sein sollen, ist für Sprachlerner höchst verwirrend. Auch die Eingriffe in die ohnehin schon schwer zur lernende Beugung von Hauptwörtern durch den Genderstern sind Deutschlernenden nur schwer zu vermitteln, genauso wie der früher unbekannte Zwang, auch der Mehrzahl vieler Hauptwörter ein Geschlecht zuweisen zu müssen. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass, wenn man dann beim Einkaufen oder mit Freunden die neue Sprache nutzen will, niemand so spricht wie die Genderfraktion vorschreibt. „Fänden Sie es gut, wenn ihre Kursteilnehmer*innen, von solcher Selbstzerfleischung der Muttersprachler*innen zunehmend angeekelt, das GI verlassen?“ schreibt ein Deutsch lernender Belgier an das Goethe-Institut in Brüssel.
Die Gendersprache ist auch eine Zumutung für viele Behinderte. Hier kommt der Heuchelei-Aspekt ins Spiel. Zwar sonnt sich unsere Genderlobby gerne in einer vermeintlichen Menschenfreundlichkeit, aber in Wahrheit tritt sie die Menschenrechte immer da mit Füßen, wo es wirklich zählt, bei den sozial benachteiligten und behinderten Menschen in unserem Land.
Hat schon einmal eine hochbezahlte Lehrkraft mit Pensionsanspruch an einem unserer mehr als 100 Genderinstitute ein Bildschirmlesegerät für Blinde benutzt? Und sich anhören müssen, was ein solcher Apparat mit Gendertexten macht? „Polizist:innen“ wird durch die Bildschirmlesesoftware zu „Polizist Doppelpunkt innen“ und aus PilotInnen macht das Programm „Pilot innen“. „Darüber bin ich ehrlich gesagt ganz froh,“ schreibt uns die Besitzerin eines solchen Lesegerätes. „Stellen Sie sich mal vor, wir wären im Flugzeug und die Piloten sind nicht innen, sondern außen!“
Deshalb spricht sich der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband entschieden gegen Gendersprache aus. Auch Autisten leiden. Viele haben sich das Kommunizieren mit kurzen Zweiwortsätzen angewöhnt und kommen damit ganz gut zurecht. Aber die Gendersprache türmt nun vorher unbekannte neue Probleme vor ihnen auf. Von den rund drei Millionen Legasthenikern und Lernbehinderten in Deutschland ganz zu schweigen. Für die wird das korrekte Schreiben und Sprechen nun erst recht zu einer Qual. „Jedes zusätzliche Zeichen stört den Lesefluss erheblich,“ sagt eine Sprecherin des Bundesverbandes Legasthenie und Dyskalkulie in Bonn. Als besonders störend werde dabei das große I empfunden, da ein Großbuchstabe sonst immer den Beginn eines neuen Wortes markiere.
Sogar die deutsche Linkspartei hat deshalb die Gendersprache aus ihren Netzseiten verbannt. In einem schon 2019 vom Parteivorstand verabschiedeten Konzept zur Teilhabe heißt es: „Im Interesse des flüssigen Lesens und der Maschinenlesbarkeit ist auf eine ‚gegenderte‘ Schreibweise zu verzichten.“
In Frankreich ist man schon soweit. Bereits 2017 hatte der damalige französische Premierminister Édouard Philippe die Verwendung des „point médian“ in regierungsamtlichen Texten untersagt. Dieser Punkt ist das französische Äquivalent des deutschen Gendersterns und soll die männliche und die weibliche Form eines Wortes trennen. So soll etwa für Abgeordnete „les deputé·e·s“ geschrieben werden, und aus Wählern werden „les électeur·rice·s“. Diesem Unfug schob Philipp einen Riegel vor. Jetzt hat Bildungsminister Jean-Michel Blanquer für die Schulen nachgezgen und auch dort die sogenannte „gendergerechte“ Schriftsprache verboten. Der Erlass trat im Mai in Kraft. Zur Begründung hieß es, diese Schreibweise stimme nicht mit den in den Lehrplänen vereinbarten Regeln überein. Die Pünktchenwörter zur Umsetzung der geschlechtergerechten Sprache behinderten sowohl das Lesen als auch das Erlernen der französischen Sprache. Vor allem Schüler mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche täten sich damit schwer.
So einfach geht das, wenn die für Kultur und Sprache zuständigen Regierungsvertreter das tun, wofür sie gewählt wurden und wofür wir sie bezahlen.
Bildquelle:
- Duden_Gender: dpa