Ein Interview ohne die Themen, die uns interessiert hätten

Liebe Leserinnen und Leser,

heute Morgen sollte bei uns ein großes Interview mit Philipp Lahm erscheinen. Ein Kollege der dpa hat es geführt, und das Thema war natürlich die Fußball-Europameisterschaft 2024 in unserem Land. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich freue mich auf das Turnier. Und Millionen Fußballfans sicher auch, wenn wir uns die Zuschauerzahlen der vergangenen Bundesliga-Saison anschauen. Fußball ist – trotz allem Randgetöses – ein großes verbindendes Thema für uns Deutsche. Und das ist auch gut so.

Dennoch veröffentlichen wir das Interview nicht

Dazu muss man sagen: Ich mag Philipp Lahm, ein klasse Spieler, ein Experte im besten Sinne des Wortes, und ein sympathischer Typ ist er auch. Aber ein Interview, in dem die wichtigsten Fragen nicht gestellt werden, das ergibt keinen Sinn. Jedenfalls nicht für eine Tageszeitung wie unsere, wo wir es mit dem Journalismus erst meinen.

Natürlich ist Fußball mehr als eine nette Freizeitbeschäftigung. Natürlich wird es immer Versuche gesellschaftlicher Gruppen geben, politisch die Aufmerksamkeit eines solchen Großereignisses für eigene Zwecke zu nutzen. Das weiß man, und der Fußball, der DFB, müssen solchen Versuchen widerstehen. Doch genau das ist zuletzt nicht gelungen. Die Verbände, die Funktionäre haben sich am Nasenring durch die Manege ziehen lassen.

Armbinden der Spieler für politische Volkserziehung, Regenbogen-Beleuchtung der Stadien für die Homo-Lobby, das gehört da nicht hin!

Philipp Lahm sagt zurecht, dass wir uns ein neues „Sommermärchen“ wie 2006 wünschen. Und klar, wir wollen, dass Deutschland als fröhliches Land, gastfreundlich und weltoffen, wahrgenommen wird. Das ist schwer genug, wenn man sich unsere Gesellschaft und die verbissene Politik der vergangenen Jahre anschaut. Fröhlich, erfolgreich und weltoffen als Ziel zu postulieren, mit Hansi Flick auf der Kommandobrücke – das ist völlig in Ordnung.

Aber die Fehler der Vergangenheit einfach auszublenden, die Idiotien nicht einmal aufzuarbeiten – so wird das nichts mit dem Neuanfang. Wie war es möglich, Fußball-Weltmeisterschaften an zweifelhafte Staaten wie Russland und Katar zu vergeben? Wie konnte es sein, dass Stunden vor Beginn des vergangenen Turniers nicht über Mannschaftsaufstellung und Spielstrategie diskutiert und berichtet wurde, sondern über Armbinden und Haltung der Spieler? Diese Fragen wurden Philipp Lahm nicht gestellt.

Und deshalb veröffentlichen wir dieses Interview nicht.

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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