EU einig bei Verteidigung und Russlandsanktionen

Bundeskanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident Emmanuel Macron (l) und die britische Premierministerin Theresa May (r) unterhalten sich auf dem EU-Gipfel. Foto: Geert Vanden Wijngaert

Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen billigten am Donnerstag beim EU-Gipfel den Ausbau der militärischen Zusammenarbeit und einen Verteidigungsfonds für gemeinsame Rüstungsprojekte. Auch einigten sie sich auf eine Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise.

Begleitet wurden die einmütigen Entscheidungen allerdings von Misstönen: Der neue französische Präsident Emmanuel Macron provozierte mit scharfer Kritik an osteuropäischen Ländern wütende Reaktionen von dort.

Macron hatte einigen Ländern vorgeworfen, finanzielle Hilfen der EU gerne mitzunehmen, aber gemeinsame Werte nicht zu teilen. Hintergrund ist unter anderem der Streit über die Verteilung von Flüchtlingen. Der «Süddeutschen Zeitung» sagte Macron: «Europa ist kein Supermarkt, Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft!». Merkel stellte sich ausdrücklich hinter Macrons Kritik und betonte ebenfalls die europäische Wertegemeinschaft.

Polen und Ungarn reagierten empört auf Macron. «Der neue französische Präsident ist ein Frischling», sagte Ungarns Regierungschef Viktor Orban. «Sein Einstand war wenig ermutigend.» In Polen betonte ein Regierungssprecher laut Agentur PAP, der Erhalt von EU-Geldern verpflichte Polen nicht, auf die EU zu hören. Der tschechische Präsident Milos Zeman geißelte die EU-Flüchtlingsquoten und zog laut Agentur CTK eine Parallele zum Warschauer Pakt.

Gegen die drei Länder hatte die EU-Kommission ein Verfahren eröffnet, weil sie EU-Beschlüsse missachten und keine oder nur wenige Flüchtlinge aufnehmen. In der festgefahrenen Flüchtlingspolitik deuteten sich auch auf dem Gipfel kaum Fortschritte an.

Bei der Sicherheits- und Verteidigungspolitik wurde man sich hingegen schnell einig – die erste Arbeitssitzung wurde um eine Stunde verkürzt. Man habe sich auf einen verstärkten Kampf gegen ausländische Terrorkämpfer verständigt, sagte Ratspräsident Tusk. «Wir sind fest entschlossen, unsere Menschen zu schützen.»

Dazu zählt für ihn auch die Entscheidung für eine «Ständige Strukturierte Zusammenarbeit» zur Verteidigung. Dies sei ein «historischer Schritt», meinte Tusk. Die sogenannte Pesco soll nun binnen drei Monaten vorangetrieben werden. Auch bei der Verlängerung der Russland-Sanktionen wurde man sich anschließend schnell einig.

In der Handelspolitik drückt die EU ebenfalls aufs Tempo: Ein Abkommen mit Japan könnte nach Angaben aus EU-Kreisen schon im Juli unter Dach und Fach gebracht werden. Die «Süddeutsche Zeitung» meldete sogar, ein Durchbruch sei schon vor dem G20-Gipfel in Hamburg am 7. und 8. Juli möglich.

Die EU wollte mit den Beschlüssen – auch vor dem Hintergrund der beginnenden Brexit-Verhandlungen – vor allem ein Zeichen der Einigkeit und der Handlungsfähigkeit setzen – trotz der Hakeleien zwischen Ost- und Westeuropa. Dafür wollen Deutschland und Frankreich ihre traditionell enge Zusammenarbeit wiederbeleben. Merkel sagte, sie setze auf Kreativität und neue Impulse durch Macron. Dieser sagte: «Wir arbeiten mit Deutschland Hand in Hand.»

Die britische Premierministerin Theresa May zeigte sich in Brüssel zufrieden mit dem Start der Gespräche über den EU-Austritt und kündigte an: «Heute werde ich einige der Pläne des Vereinigten Königreichs darlegen.» Ihre Noch-Partner wollten aber auf dem Gipfel nicht über den Brexit verhandeln. Auch Merkel sagte, der Fokus liege nun vielmehr auf einer guten Zukunft für die 27 bleibenden Länder.

Diese müssen sich aber indirekt mit dem Thema befassen. Gesucht werden neue Standorte für die bisher in London ansässigen EU-Agenturen EMA (Arzneimittel) und EBA (Bankenaufsicht). Fast alle der 27 Länder wollen sich darum bewerben. Auf dem Gipfel ging es zunächst nur um ein Auswahlverfahren. Am Nachmittag zeichnete sich ein Kompromiss ab, der großen Streit zwischen den Bewerbern vorerst vermeidet.

Bildquelle:

  • EU-Gipfel in Belgien: dpa

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