BRÜSSEL- Im erbitterten Streit um den polnischen Rechtsstaat hat der EU-Gipfel in Brüssel keine Lösung gebracht. Die Debatte sei ein Schritt, der auf dem Weg zu einer Lösung helfen sollte, hieß es am späten Donnerstagabend aus EU-Kreisen. Dabei brauche es politischen Dialog.
Die Debatte sei in einer ruhigen Atmosphäre geführt worden und sei eine Gelegenheit gewesen, die verschiedenen Sichtweisen besser zu verstehen. EU-Ratschef Charles Michel habe den Staats- und Regierungschef für ihre konstruktive Herangehensweise gedankt.
Hintergrund des Streits mit Polen ist ein Urteil des polnischen Verfassungsgerichts, nach dem Teile des EU-Rechts nicht mit Polens Verfassung vereinbar sind. Diese Entscheidung wird von der EU-Kommission und etlichen anderen Staaten als höchst problematisch angesehen, weil sie der polnischen Regierung einen Vorwand geben könnte, ihr unliebsame Urteile des Europäischen Gerichtshofes zu ignorieren.
EU-Staaten uneins bei bezahlbarer Energie
Neben dem Rechtsstaat haben Kanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen auch über die zuletzt stark gestiegenen Energiepreise sowie die gemeinsame Handelspolitik diskutiert. Um kurz vor Mitternacht gingen die Beratungen zu Ende. Aus den Schlussfolgerungen ging hervor, dass sich die Staats- und Regierungschefs darauf verständigten, den Gründen für den Preisanstieg genauer auf den Grund zu gehen.
Zunächst sollen die EU-Länder demnach national eingreifen, um Verbraucher und Unternehmen kurzfristig vor hohen Kosten zu schützen. Die Diskussionen sollen bei einem Sondertreffen der Energieminister am nächsten Dienstag fortgeführt werden.
Die stundenlangen Gespräche seien unter anderem vom tschechischen Premierminister Andrej Babis aufgehalten worden, hieß es aus EU-Kreisen. Er habe darauf gepocht, das Emissionshandelssystem der EU in den Schlussfolgerungen zu erwähnen. Dort steht nun, dass die Kommission sich gemeinsam mit der EU-Finanzaufsicht ESMA den Markt für Emissionen von Kohlenstoffdioxid (CO2) genauer anschauen soll. Die Kommission solle bestimmen, ob Maßnahmen gegen «gewisses Handelsverhalten» nötig seien.
Kommission soll Strom- und Gasmarkt untersuchen
Länder wie Tschechien oder Polen machen Spekulation und den steigenden CO2-Preis für den Energiepreisanstieg mitverantwortlich. Im EU-Emissionshandelssystem müssen etwa Stromanbieter für den Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2 zahlen. Die Kommission sagte zuletzt, der Handel mit CO2 sei nur für ein Fünftel des Anstiegs der Energiepreise verantwortlich.
Die EU-Länder riefen die Kommission und ESMA auch dazu auf, den Strom- und Gasmarkt zu untersuchen. Der spanische Premierminister Pedro Sanchez hatte zuvor vorgeschlagen, den europäischen Strommarkt zu reformieren. Damit erhofft sich das Land, den Einfluss des Gaspreises auf den Strompreis zu reduzieren. Kanzlerin Angela Merkel plädierte für eine marktwirtschaftliche Lösung. Das Thema Energiepreise soll bei einem Gipfel im Dezember wieder aufgegriffen werden.
Beim zweiten Gipfel-Tag am Freitag soll es unter anderem um Migration und Digitales gehen.
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- Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs: dpa