Graciano Rocchigiani: Einfühlsames Portrait einer deutschen Boxlegende

Liebe Leserinnen und Leser,

erst gestern früh habe ich das verblödende Unterhaltungsangebot deutscher Fernsehanstalten an dieser Stelle gegeißelt, und heute folgt gleich ein TV-Tipp.

Wenn Sie am Sonntagabend Langeweile haben, dann verzichten Sie unbedingt auf den ARD-Volkserziehungs-„Tatort“ und schauen bei RTL+ rein. Da läuft „Graciano Rocchigiani – Das Herz eines Boxers“. Der Film hatte gestern Abend im Colosseum an der Schönhauser Allee in Berlin Weltpremiere, und ich hatte die Freude, dabei sein zu dürfen.

Nun muss ich vorab schicken, dass Boxen eigentlich nicht zu meinen Lieblingssportarten gehört.

Aber ich liebte es, als mein Vater 1974 mitten in der Nacht den 15-jährigen Klaus zum „Rumble in the Jungle“ weckte und wir auf dem Schwarz-Weiß-Fernseher zuschauten, wie Muhammed Ali, der für uns immer noch Cassius Clay hieß, George Foreman vermöbelte. 100.000 Zuschauer live dabei drehten komplett durch, und die ganze zivilisierte Welt war dabei.

Den nächsten Kontakt mit dem Boxsport hatte ich im Kino später, als ich die wunderbaren „Rocky“-Filme mit Silvester Stallone anschaute. Und dann 1990 oder 1991 in Berlin bei einem Zusammentreffen in der Box-Bundesliga. Eigentlich sollte mein Freund Ralf, damals Sportchef bei unserem Sender, hingehen. Aber er hatte ein Date und bat mich, ob ich den Termin für ihn übernehmen könnte. Ist doch Ehrensache, aber ich sagte ihm, dass ich da niemanden kenne und eigentlich auch keine Ahnung hätte. Kein Problem sagte er, einfach mit dem Aufnahmegerät nach der Begegnung den Trainer um zwei Sätze bitte für das Morgenmagazin, den Rest schreibe er zusammen.

Was soll ich sagen?

Nach den Kämpfen, ging ich zum Trainer und bat um einen O-Ton. Er antwortete, ich solle mal einen von den Jungs fragen. Und nahm mich mit in die Umkleidekabine seines Teams. Das ungewöhnlichste Interview meines ganzes Lebens, und glauben Sie mir, ich habe verdammt viele ungewöhnliche Interviews in meinem Leben geführt.

Da stand ich in der Wasserdampf-durchfluteten Kabine mit meinem Bandgerät und Mikro, umringt von sechs durchtrainierten splitterfasernackten jungen grinsenden Männern. Und ich bekam die O-Töne, und Ralf hatte gleichzeitig ein erfolgreiches Date.

Gestern also der Berliner-Hinterhof-Boxer, Graciano Rocchigiani, – eine wirklich mitreißende Doku mit vielen Szenen aus seinem Leben, die noch nie öffentlich gezeigt worden sind. Die facettenreiche Persönlichkeit eines Berliner Boxers, der es ganz nach oben schaffte, der auch immer wieder abstürzte, Drogen konsumierte, im Knast eingesperrt wurde, und der am Ende nicht nur sportlich, sondern auch in den USA vor einem Gericht sein Recht und sein Geld (30 Mio) gegen den davor mächtigen Weltverband durchsetzte.

Ich liebe solche Geschichten von Wiederaufsteh-Künstlern, von dem Jungen aus kleinen Verhältnissen, der sich durchsetzt, auch wenn die Herzen der Mehrheit der Deutschen damals eher Henry Maske aus Frankfurt/Oder galten, dem „Gentleman“-Boxer.

„Graciano Rocchigiani – Das Herz eines Boxers”, produziert übrigens von Til Schweiger und der Berliner Produktionsfirma Barefoot Media GmbH, ist ein einfühlsames Portrait einer Boxlegende. Schalten Sie ein!

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende

Jetzt spenden (per PayPal)

Jetzt abonnieren

Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.