Großes Stühlerücken nach Sellering-Rücktritt bei den Sozialdemokraten

Wird neuer SPD-Generalsekretär: Hubertus Heil. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/Archiv

Berlin/Schwerin – Knapp vier Monate vor der Bundestagswahl muss SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz seine Partei neu aufstellen und wichtige Posten neu besetzen.

Das Personalkarussell kam in Gang, weil Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) wegen einer Krebserkrankung seinen Rückzug angekündigt hat.

Nachfolgerin in Schwerin soll Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig werden, deren Posten die bisherige SPD-Generalsekretärin Katarina Barley übernehmen soll. Sie freue sich auf die neue Aufgabe und übergebe die SPD-Parteizentrale «hervorragend aufgestellt», sagte Barley, die zuletzt viel Kritik einstecken musste.

Als Generalsekretär soll von kommender Woche an Hubertus Heil den Wahlkampf der Sozialdemokraten leiten. Der 44-jährige Bundestagsabgeordnete hatte den Posten bereits von 2005 bis 2009 inne und gilt als mitverantwortlich für die Wahlniederlage des damaligen Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier.

Heil sei ein «erfahrener Wahlkämpfer», sagte Schulz. Er stehe für «Innovation,für wirtschaftlichen Fortschritt und für die Zukunftsorientierung der Politik» und sei «tief verankert in der SPD». Was die SPD im Wahlkampf brauche, sei eine Mobilisierung der Basis. «Da ist Hubertus Heil ein sehr erfahrener Mann.»

Sellering nannte eine überraschend festgestellte Lymphdrysen-Krebserkrankung als Grund für seinen Rückzug aus der Politik nach neun Jahren als Regierungschef. Diese Diagnose erfordere umgehend eine massive Therapie. «Ich werde deshalb nicht mehr in der Lage sein, das Amt des Ministerpräsidenten so auszufüllen, wie das objektiv notwendig ist und meinem Anspruch an mich selbst entspricht», sagt der 67-Jährige, der nach der Landtagswahl im September vergangenen Jahres für eine dritte Amtszeit an die Spitze der SPD/CDU-Koalition gewählt worden war.

Schwesig erklärte in Schwerin, sie stehe als Nachfolgerin bereit. Sie kehrt damit in die Heimat zurück: In Schwerin war sie 2008 Sozialministerin geworden, ehe sie im Dezember 2013 nach Berlin wechselte. Sie soll von Sellering auch den SPD-Landesvorsitz übernehmen, bisher war sie Vize-Landeschefin.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigte Sellering Schritt. «Ich habe großen Respekt vor Erwin Sellerings Entscheidung. Ich wünsche ihm und seiner Familie Kraft für die kommenden Monate», ließ sie über ihren Regierungssprecher Steffen Seibert erklären. SPD-Chef Schulz zollte Sellering ebenfalls Respekt. «Die Betroffenheit sitzt bei uns allen tief», sagte er.

Der Bildungs- und Energieexperte Heil soll die Sozialdemokraten kommissarisch bis zum nächsten ordentlichen SPD-Parteitag im November managen. Die Aufgabe im Willy-Brandt-Haus ist herausfordernd: Nach drei verlorenen Landtagswahlen und dem Abrutschen in den Umfragen auf 25 Prozent steht die SPD vier Monate vor der Bundestagswahl unter Druck.

«Die SPD hat einen hervorragenden Kanzlerkandidaten und ein ordentliches Programm», nun müsse die Partei dafür kämpfen, dass daraus «gute Wahlergebnisse werden», sagte der neue Wahlkampf-Manager Heil. Er wolle einen Wahlkampf ohne Koalitionsdebatten führen. Alles weitere werde er in den nächsten Tagen mitteilen.

Die Linke reagierte mit Spott auf die Berufung von Heil. «Wenn Martin Schulz als Generalsekretär niemand anderes als Hubertus Heil in den Sinn kommt, hat er das Kanzleramt schon aufgegeben», sagte Linken-Chef Bernd Riexinger.

Bildquelle:

  • Hubertus Heil: dpa

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.