Bernhard Schlink: Die Wiedervereinigung ist noch nicht vollendet

ARCHIV - Der Autor Bernhard Schlink. Foto: Henning Kaiser/dpa

BERLIN – Der Bestsellerautor Bernhard Schlink («Der Vorleser») hält die Wiedervereinigung von Ost und West für noch nicht vollendet.

«Der Westen, auch die meisten Westdeutschen, die ich kenne, hatten die Erwartung: Jetzt sind die Jahre der Diktatur vorbei, die Ostdeutschen schütteln sie ab, wie der Hund nach dem Bad das Wasser abschüttelt, und sind dann wie wir», sagte Schlink der «Berliner Zeitung» (Mittwoch). «Und seit Jahren ist da das Erstaunen: Das sind sie ja gar nicht. Oder sogar die Empörung: Wie unterstehen die sich, nicht so zu sein wie wir?»

Schlink (77) sagte weiter: «Wir haben es jetzt anlässlich der Wahlergebnisse in den neuen Ländern wieder gehört: Die Ostdeutschen haben noch kein entwickeltes demokratisches Bewusstsein. Ich halte das für daneben.» Es zeige an, «dass wir uns auf die Frage, warum wir so verschieden sind, nicht wirklich einlassen».

Der frühere Jura-Professor der Humboldt-Universität erzählte, er sei in den 60er Jahren als Student nach Berlin gekommen, weil er das ganze Deutschland kennenlernen wollte – so wie Kaspar aus seinem neuen Roman «Die Enkelin». Schlink hatte demnach damals einen großen Freundeskreis in Ost-Berlin. Er sei mehrfach in die DDR gereist. Was in der DDR an Literatur erschienen sei, habe ihn immer ebenso interessiert wie das, was in der Bundesrepublik veröffentlicht wurde. In «Die Enkelin» geht es um eine Ost-West-Geschichte, dabei befasste sich Schlink auch mit dem rechten Denken und völkischen Siedlern.

Auf die Frage, ob er selbst eigentlich noch in der SPD sei, sagte Schlink: «Schweren Herzens. Sie hat sich in den letzten Jahren inhaltlich nicht neu gefunden, was sie nötig hat, und sie hat nicht gewonnen, weil sie besser, sondern nur weil die CDU schlechter geworden ist. Ob der Erfolg bei der Wahl junge Menschen zum Eintreten und Mitmachen und dazu beflügelt, für die Partei eine neue inhaltliche Orientierung zu finden? Schweren Herzens bemühe ich mich um sozialdemokratischen Optimismus.»

– Bernhard Schlink: Die Enkelin, Diogenes, 368 Seiten, ISBN 978-3-257-07181-8.

Bildquelle:

  • Bernhard Schlink: dpa

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