von DIETRICH KANTEL
MÜNCHEN – Bedeutende ehemalige Dissidenten wie Václav Havel, der Menschenrechtler, Dramatiker und spätere Staatspräsident der Tschechoslowakei, oder der erste frei gewählte polnische Präsident bestätigten es nach dem Zusammenbruch des Ostblocks: Radio Free Europe war die wichtigste Quelle im sowjetischen Machtbereich, um verlässliche und unzensierte Informationen zu erhalten. Der Sender habe so einen entscheidenden Anteil am Ende des Kommunismus in Osteuropa gehabt. Heute vor 70 Jahren, am 1. Mai 1951 nahm der vom US-amerikanischen Staat finanzierte Rundfunkveranstalter aus seiner Sendezentrale im Englischen Garten in München seinen regelmäßigen Hörfunkbetrieb auf.
Gegründet wurde der Sender vom amerikanischen „Nationalkomitee für eine freies Europa“, einer strikt antikommunistischen Organisation unter Federführung bedeutender Persönlichkeiten aus Politik, Administration und Wirtschaft. Dazu gehörten Weltbankpräsident John McCloy, CIA-Chef Allen Dulles, Präsident-Eisenhower-Berater Charles Jackson sowie die Großindustriellen Henry Ford II und Nelson Rockefeller.
Auf Kurz- und Mittelwelle in allen Landessprachen der Staaten des Ostblocks war es einerseits Politik des Senders im kommunistischen Machtbereich freiheitlich-demokratisches Gedankengut nach westlichem Verständnis zu verbreiten. Ebenso wichtig war den Programmverantwortlichen aber auch die Information der Menschen über solche Ereignisse und Entwicklungen in ihren jeweiligen Ländern, deren Berichterstattung dort der staatlichen Zensur zum Opfer fielen. Eine Gewisse Nähe des Senders zur CIA kann man wohl zumindest für die Zeit des Kalten Krieges annehmen.
Anschläge auf Mitarbeiter und Sendezentrale
Da das Programm von Radio Free Europe offenbar Wirkung in den Ländern hinter dem Eisernen Vorhang zeigte, blieb es nicht nur bei Behinderungen durch Störsender. Seit Bestehen des Radios wurden wiederholt Mitarbeiter Opfer von Anschlägen.
1959 wurden die Salzstreuer in der Kantine des Senders in München mit Gift versetzt. Eine Spur für diese Tat führte zum tschechoslowakischen Geheimdienst StB. 1978 wurde der exilbulgarische Georgi Ivanov Markow mittels einer präparierten Spitze eines Regenschirmes in London vergiftet.
Am 21. Februar 1981 explodierte in den Abendstunden eine 20-Kilo-Bombe an der Außenmauer der Sendezentrale. Dabei wurden zwar „nur“ drei tschechische Mitarbeiter schwer verletzt. Allerdings musste der betroffene Gebäudetrakt anschließend aus statischen Gründen abgerissen werden. Später fanden sich in osteuropäischen Archiven und in Unterlagen der Stasi die Bestätigungen, dass der deutsche Terrorist Johannes Weinrich zusammen mit dem schweizer Terroristen Bruno Bréguet und zwei Mitgliedern der spanischen ETA das Attentat im Auftrag des rumänischen Geheimdienstes Securitate ausgeführt hatten.
1995 wurde die russische Journalistin Molli Riffel-Gordin in Prag erschossen. Im September 2000 wurde der Moskau-Korrespondent des tadschikischen Services des Senders in seiner Moskauer Wohnung erschlagen.
Radio Free Europe (Fusioniert mit Radio Liberty heute: „RFE/RL“), 1995 von München nach Prag umgezogen, sendet auch heute, lange nach dem Zusammenbruch des Ostblocks weiter in 28 osteuropäischen und asiatischen Sprachen. Wie seit seinem Sendebeginn heute vor 70 Jahren sind die Zielländer solche mit autoritären oder totalitären Regimen, in denen die Presse- und Informationsfreiheit staatlich unterdrückt wird.
Bildquelle:
- Radio_Free_Europe: wikiwand