High Noon in Schmalkalden: Die Gute-Leute-Verhinderungspartei CDU vor ihrer nächsten Herausforderung

ARCHIV - Hans-Georg Maaßen, ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, könnte in Thüringen Bundestagskandidat für die CDU werden. Foto: Kay Nietfeld/dpa

von KLAUS KELLE

ERFURT – Für die CDU insgesamt sind es schlechte Zeiten. Ein Vorsitzender, der eine Mehrheit fand, weil die den Gegenkandidaten um jeden Preis verhindern wollte. Der neue Vorsitzende wurde dann Spitzenkandidat, weil ihn eine Mehrheit in einem 40-Köpfe-Gremium ausgekungelt hat – auch im Grunde wieder, um die personelle Alternative zu verhindern. Es ist die Angst vor der eigenen Courage, die Angst vor dem Bruch mit der Ära Merkel und die Angst vor einem echten Aufbruch, den ich mit Zurück in die Zukunft umschreiben würde.

Zurück in die Zukunft meint damit nicht, die alten, verstaubten Programme hervorzukramen. Die sind nicht mehr kompatibel für eine deutlich veränderte Gesellschaft und für eine umgekrempelte Union – zwischen CDU und CSU bestehen da nur noch marginale Unterschiede. Es ist die Rückbesinnung auf das, was man den Markenkern nennt, das, was all die Menschen, denen das C etwas bedeutet, mal zusammengeführt hat. Massenmigration, Aufgabe der staatlichen Souveränität, Aufweichen des Rechtsstaates, Ausstieg aus der Atomkraft und Zerstörung der traditionellen Familien mit Kindern waren es sicher nicht.

Die kluge Kollegin Susanne Gaschke hat das gerade in einem Beitrag in der NZZ so zusammengefasst:

„Angela Merkel ließ es zu, dass ihre Bildungsministerin Annette Schavan die technokratischen Reformen ihrer sozialdemokratischen Vorgängerin Edelgard Bulmahn fortführte und die Universitäten in einen zerrüttenden Pseudowettbewerb trieb. Sie liess es zu, dass Unions-Verteidigungsminister die Bundeswehr demontierten und die Wehrpflicht abschafften. Sie hat die an sich Atomkraft-freundliche CDU in eine Energiewende getrieben, die der Partei wesensfremd ist. Sie hat dem Land 2015 eine Flüchtlingspolitik verordnet, die in der Wählerschaft der Union nicht mehrheitsfähig war – aber half, die AfD dauerhaft als Kraft rechts von der Union zu etablieren.“

Da steht alles drin. Gaschke erwähnt selbst vorher auch die Familienpolitik als wesentlichen Verlust der Identität der Union, persönlich sehe ich das Thema innenpolitisch als noch viel gravierender an, denn man muss den größeren Kontext sehen. Die Familie ist im wahrsten Sinne des Wortes die Keimzelle unserer Gesellschaft. Verlässliche auf Dauer angelegte Zweierbeziehungen eines Mannes und einer Frau, die Kinder bekommen und liebevoll erziehen wollen. Eine solidarische Gesellschaft fußt darauf, nicht auf staatlichen Reglementierungen. Aber zu diesem ganzen Komplex gehört auch die weitgehende Aufgabe des Lebensschutzes, der wirre Gender-Quatsch, die Zerstückelung unserer Sprache mit Strichen und Sternchen, das dritte und vierte Klo, für die Menschen, die morgens noch nicht wissen, welches Geschlecht sie heute haben wollen, und denen wir helfen müssen, weil wir keine anderen Sorgen haben. Die Bildungspolitik gehört dazu, Lerninhalte, die unsere Kinder auf da Leben vorbereiten und keine Gehirnwäsche im Geiste eines neuen Menschen betreiben.

Dass all das nicht passieren konnte, dafür waren die Unionsparteien viele Jahrzehnte der Garant. Und dann kam diese Frau aus der Uckermark. Inzwischen bin ich auch überzeugt, dass es von vornherein ihre Agenda war, diese Partei als dominierende politische Kraft des bürgerlichen Mitte in Deutschland zu zerstören. Anders ist das alles nicht zu erklären. Aber warum ihr die Partei auf diesem Weg gefolgt ist, das werde ich niemals verstehen.

Am Freitag nominieren 44 CDU-Delegierte aus vier Kreisverbänden im thüringischen Schmalkalden ihren Bundestagskandidaten. Favorit ist der frühere Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen. Ein kluger Mann, der unserem Land lange Jahre treu gedient hat. Und ein Konservativer, eine Galionsfigur inzwischen des „Gallischen Dorfes“ der Basisbewegung WerteUnion, ohne dort irgendeinen Posten zu haben, außer dabei zu sein. Wäre er nicht mehr dabei, stellte sich die Sinnfrage für diese Organisation noch dringender als ohnehin. Zumal, wenn man das Kandidaten-Schaulaufen dort für die Nachfolge des Gründungsvorsitzenden Alexander Mitsch gerade betrachtet.

Thüringens CDU-Landesvorsitzender Christian Hirte sagte kürzlich der «Zeit»: «Für die CDU schadet das mehr, als es nutzt.» Und er meint damit die wahrscheinliche Nominierung Maaßens gegen den erklärten Willen der CDU-Nomenklatura im Freistaat. In 20 Jahren nach Vollendung der Deutschen Einheit haben Christdemokraten das wunderbare Thüringen bestens regiert und zu einem Musterknaben unter den fünf neuen Bundesländern gemacht. Alles weg. Falsche Personalentscheidungen, demütige Unterwürfigkeit gegenüber dem verhängnisvollen Merkel-Kurs, zuletzt in Umfragen noch bei 19 Prozent. Ihr größtes politisches Talent, Mike Mohring, bei der Landtagswahl gerupft, weil eine – ich weiß nicht, ob Sie sich noch erinnern – Bundesvorsitzende namens AKK den Parteifreunden in Erfurt, Weimar, Gotha und Eisenach den Wahlkampf verhagelte. Das kostete Mohring den Kopf an der Spitze der Thüringer Union, und dann kam Herr Hirte. Herzlichen Glückwunsch, Thüringen!

Maaßen wäre eine Chance zumindest für die CDU in Thüringen, langsam, ganz langsam wieder auf die Beine zu kommen. Aber ich traue der Partei absolut zu, das auch noch zu versemmeln. In der Nacht, als ein kleiner Zirkel von Funktionären den Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl per Videokonferenz ausmauschelte, tauchte plötzlich Mike Mohring bei BILD TV auf, um zu versichern, dass jetzt Armin Laschet der richtige Mann zur richtigen Zeit sei, der die CDU zu Wahlsiegen führt. Ich habe mir dann etwas Hochprozentiges ins Glas gefüllt und gedacht: „Na, dann. Macht mal!“

Bildquelle:

  • Ex-Verfassungsschutzpräsident Maaßen: dpa

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.